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Parlamentspräsident lässt Abstimmung über Brexit-Deal zu

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Nur über einen Teil des Pakets zum EU-Austritt soll abgestimmt werden. Damit will London eine weitere Verschiebung des Brexits verhindern. Unter Dach und Fach wäre der Brexit-Deal damit nicht.

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London (dpa) – Der britische Parlamentspräsident John Bercow hat die von der Regierung geplante erneute Abstimmung über das EU-Austrittsabkommen zugelassen. Bercow teilte in London mit, die Regierungsvorlage unterscheide sich «substanziell» von den vorhergehenden.

Damit kann das Unterhaus an diesem Freitag erneut über den Brexit-Vertrag debattieren und abstimmen, den Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hatte.

Geplant ist nun, das Vertragspaket zum EU-Austritt in zwei Teile zu zerlegen. Demnach soll am Freitag nur der Vertrag über den Austritt, nicht aber die politische Erklärung über die künftigen Beziehungen zur Abstimmung stehen. Als Ganzes hatte dass Parlament den Deal zuvor bereits zweimal abgelehnt.

Bercow hatte noch am Mittwoch gedroht, eine weitere Abstimmung ohne substanzielle Änderungen nicht zuzulassen. Grund ist eine 415 Jahre alte Regel, wonach ein und dieselbe Vorlage nicht beliebig oft zur Abstimmung gestellt werden kann.

Mit der Abstimmung will London verhindern, dass eine Verschiebung des Brexits über den 22. Mai hinaus und damit eine Teilnahme Großbritanniens an der Europawahl vom 23. bis 26 Mai notwendig wird. Gleichzeitig will die Regierung Zeit für die Ratifizierung gewinnen.

Ende dieser Woche läuft eine von der EU gesetzte Frist ab, bis zu der in London zumindest der Brexit-Vertrag gebilligt sein muss. Fehlt die Zustimmung, droht zum 12. April ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen oder eine sehr lange Verschiebung des Brexits.

Nachteil an der Aufspaltung des Brexit-Vertragspakets ist, dass auch bei einer Zustimmung des Parlaments am Freitag eine Ratifizierung noch nicht möglich ist. Nach dem britischen EU-Austrittsgesetz ist dafür die Zustimmung des Parlaments zu beiden Teilen des Deals notwendig.

Die Regierung will ausdrücklich die Möglichkeit offenlassen, die politische Erklärung bis zum Austritt am 22. Mai noch nachzuverhandeln. Viele der von Abgeordneten vorgebrachten Alternativvorschläge für den Brexit-Deal beziehen sich ohnehin auf die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU. Die sollen aber erst nach dem Austritt verbindlich vereinbart werden.

Anders als das Austrittsabkommen ist die politische Erklärung aber kein Vertragswerk. Künftige Premierminister müssten sich nicht daran halten.

Oppositionschef Jeremy Corbyn kündigte deshalb an, seine Partei werde am Freitag gegen das Brexit-Abkommen stimmen. Die Labour-Fraktion könne sich nicht hinter einen Brexit im Blindflug stellen. «Es gibt keinen Weg zurück, wenn man es einmal unterschrieben hat und sich drauf eingelassen hat», so Corbyn.

Die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Andrea Leadsom appellierte an die Abgeordneten, den Vertrag zu unterstützen und so dafür zu sorgen, dass Großbritannien die EU geordnet verlassen könne. Dies würde den Unternehmen und den Menschen die nötige Sicherheit geben.

Ob das Parlament zustimmt, ist aber sehr fraglich. May zog alle Register, um ausreichend Unterstützung zu bekommen. Die Premierministerin bot sogar ihren baldigen Rücktritt an, sollte das Abkommen im Unterhaus doch noch angenommen werden. Etliche Widersacher in ihrer Konservativen Partei gaben ihren Widerstand daraufhin auf. Doch die nordirische Protestantenpartei DUP, auf deren zehn Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, sperrt sich weiter. May muss daher auf Unterstützung aus der Opposition hoffen.

Die 27 bleibenden Länder blicken pessimistisch auf die Lage, wie nach einer Sitzung der EU-Botschafter in Brüssel deutlich wurde. «Die meisten Mitgliedstaaten glauben, dass ein Austritt ohne Vertrag das wahrscheinlichste Szenario ist», sagte ein EU-Diplomat. «Nur Großbritannien kann einen «No Deal» jetzt noch stoppen.» Ein anderer Diplomat bestätigte, die Runde habe sich hauptsächlich mit der Vorbereitung auf einen ungeregelten Bruch beschäftigt. Die innenpolitische Situation in London sei einfach zu unübersichtlich.

Die EU-Kommission forderte Großbritannien nochmals auf, eine klare Linie beim Brexit zu finden. Mit Blick auf die Voten des britischen Parlaments über das mögliche Vorgehen beim EU-Austritt sagte ein Kommissionssprecher: «Wir haben gestern Abend acht Neins gezählt. Wir brauchen jetzt ein Ja zum Weg nach vorn.»

Die britischen Abgeordneten hatten am Mittwoch über acht Alternativen zum Brexit-Kurs der britischen Premierministerin abgestimmt – doch hatte kein Vorschlag eine Mehrheit bekommen. Sehr klar war aber die Ablehnung der Variante, zum neuen Brexit-Termin 12. April ohne Vertrag aus der Europäischen Union auszuscheiden. Am Montag sind im Unterhaus weitere Abstimmungen geplant. Zugleich soll es an diesem Tag eine Debatte über die Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU geben, die bis zum Donnerstagabend fast sechs Millionen Menschen unterzeichnet hatten.

Die britische Wirtschaft zeigt sich zunehmend entnervt von der Blockade im Parlament in London. Der Vorsitzende des britischen Handelskammerverbands BCC, Adam Marshall, machte am Donnerstag seinem Ärger Luft. «Wir sind frustriert. Wir sind verärgert», sagte Marshall. Die Politik habe die Wirtschaft im Stich gelassen und jage Chimären hinterher. «Drei Jahre sich im Kreise drehen. Drei Jahre sind genug» sagte Marshall. «Unternehmen sind kein bisschen schlauer, wie ein chaotischer Austritt am 12. April vermieden werden kann.»

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