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Handball soll besser sein als Fußball? Das ist doch Unsinn!

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Unser Autor stammt aus einer Handballerfamilie. Er mag den Sport sehr – und wundert sich dennoch über all die Vergleiche mit dem Fußball, die aktuell gezogen und diskutiert werden. Eine Gegenrede.

Uwe Gensheimer begeistert mit der deutschen Handball-Nationalmannschaft Millionen Zuschauer. Aber warum muss man ihn und seine Kollegen deshalb unentwegt mit Fußballern vergleichen?

Die deutsche Handballnationalmannschaft träumt vom größtmöglichen Erfolg – dem Gewinn des WM-Titels im eigenen Land. Das Team spielt ein tolles Turnier, lockt Millionen Menschen vor die Fernseher und beweist vor dem Halbfinale gegen Norwegen einmal mehr, dass Deutschland durchaus für Handball zu begeistern ist.

Gleichzeitig tobt aktuell eine Diskussion, die eigentlich schon einige Male geführt wurde. Die These: Handball ist viel geiler als Fußball. Was scheinbar mittlerweile jedes Jahr, wenn wieder einmal EM oder WM ist, unbedingt aufgeschrieben und diskutiert werden muss. Und so entstehen viele Texte mit ähnlichen Überschriften: “Handball hat, was dem Fußball abgeht”; “Was Fußballer vom Handball lernen können”; oder: “Darum ist Handball viel besser als Fußball”. Auch wir beim stern haben solche Stücke veröffentlicht, was natürlich völlig in Ordnung ist. Schließlich darf jeder Autor seine eigene Meinung haben. Ich kann mit dieser Diskussion allerdings überhaupt nichts anfangen. Im Gegenteil. Sie ermüdet mich – zumal sie in den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke in einer Hitzigkeit fortgeführt wird, die geradezu absurd wirkt.

Der Handball hat diesen Vergleich doch gar nicht nötig!

Tatsache ist doch: Der Handball hat den Vergleich mit dem Fußball gar nicht nötig. Die deutsche Handball-Bundesliga gilt als die stärkste Liga der Welt, die Hallen von Kiel bis Göppingen sind regelmäßig ausverkauft, die TV-Präsenz ist seit dem Einstieg des Pay-TV-Senders Sky deutlich gestiegen – und die zweitgrößte Mannschaftsballsportart des Landes ist Handball ohnehin.

Diese Fakten sollte man betonen, wenn man vom Handball schwärmen möchte. Zumal ja nicht zu übersehen ist, wie unfassbar spannend diese Sportart ist, wenn eine Partie richtig knapp verläuft, wenn jedes Tor das entscheidende sein kann. Zugegeben: Ein Handballspiel, das am Ende mit einem 38:20 endet, ist meistens ab Minute 15 ziemlich langweilig. Aber wehe, man sieht ein 34:33 – dann kann Sport packender kaum sein.

Erst recht, wenn die Akteure in der Halle sympathisch, authentisch und erfrischend bodenständig sind. Und genau das sind die Handballer der deutschen Nationalmannschaft. Da steht ein verschworener Haufen auf der Platte, dem man als Zuschauer gerne die Daumen drückt. Chapeau!

Handball wird nicht besser, indem man über Fußball lästert

Wer jedoch versucht, den Handball zu lobpreisen, indem man über Fußball lästert, erreicht sein Ziel meist nicht. Dann nämlich wirkt die Lobeshymne auf die Handballer eher wie die beleidigte Reaktion eines Menschen, der Fußball einfach doof findet – oder sauer ist, weil seine eigene Sportart nicht die Beachtung findet, die er sich wünscht.

Fakt ist doch: Man kann Fußball und Handball überhaupt nicht sauber vergleichen. Weder sportlich noch in puncto Aufmerksamkeit.

Die Grundvoraussetzung des Fußballs ist einfach eine andere – weil er ein Straßensport ist. Jedes Kleinkind kann sich einen Ball schnappen und mit ein paar Freunden vor der eigenen Haustüre kicken. Genau deshalb spielen Millionen Menschen Fußball. Handball hingegen kann das nicht leisten, weil die Sportart nicht funktioniert, wenn man gegen ein Garagentor bolzt. Für Handball braucht man eine Halle, zwei Tore und mindestens 14 Spieler.

Was einen zwangsläufig zu den Regeln der Sportarten führt. Und damit zu der erneuten Feststellung, dass man zwischen Fußball und Handball nur schwer Parallelen ziehen kann. In der einen Sportart ist es verboten, den Gegner zu Fall zu bringen. In der anderen ist es erlaubt, den Kontrahenten mit aller Macht zu umklammern, um ihn am Weiterspielen zu hindern. Das führt natürlich dazu, dass Handball die härtere Sportart ist. Aber warum sollte man deshalb einem Fußballer vorwerfen, eine weniger aggressive Sportart zu spielen?

Die Diskussion ist vor allem auch deshalb müßig, weil längst entschieden ist, welche Sportart in Deutschland (und vielen, vielen anderen Ländern auf der Welt) die klare Nummer eins ist. Das ZDF wird das Handball-WM-Finale nur übertragen, wenn die deutsche Nationalmannschaft heute ins Endspiel einzieht. Das sagt im Kern alles über den aktuellen Handball-Hype in Deutschland aus.

Nur der Fußball begeistert Woche für Woche – und nicht nur während einer WM und EM – die Massen. Die Bundesliga ist längst eine perfekt organisierte, milliardenschwere Unterhaltungsindustrie, deren Erfolg dazu führt, dass bereits mittelmäßig begabte Spieler Millionen verdienen. Nutznießer sind die Sportler, die Vereine und all die Firmen, die in diesem Umfeld Geld ohne Ende scheffeln. Nur stört das die Fans eben nicht. Sie kaufen Trikots, Eintrittskarten und viel zu teure Pay-TV-Pakete, um Teil des großen Ganzen zu sein. Und geben damit König Fußball recht.

Natürlich darf man den Fußball kritisieren, aber …

Man muss es deshalb nicht gut finden, dass manche Superstars zur schauspielerischen Theatralik bei leichtestem Körperkontakt neigen; man darf den Kopf schütteln, wenn ein 19-jähriger Kicker mit dem Lamborghini zum Training fährt; man kann sich fragen, wie ehrlich der Fußballsport heutzutage wirklich noch ist. Es ist natürlich legitim, den (modernen) Fußball zu kritisieren, der sich zweifelsohne an einigen Punkten in die völlig falsche Richtung entwickelt. Und es ist gut, den Handball samt seiner starken Nationalmannschaft zu loben, weil dieser packende Sport  (mehr) Aufmerksamkeit verdient hat.

Nur die Vergleiche sind völliger Quatsch. Handball ist nicht besser als Fußball. Und Fußball ist nicht besser als Handball. Sie sind einfach grundverschieden – und das ist auch völlig in Ordnung.

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