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Fünftausend Jahre altes „Mensch ärgere Dich nicht“ wird neu entdeckt

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Ein Archäologe will dem „Königlichen Spiel von Ur“ in seiner Heimat eine Renaissance verschaffen. Das Interesse ist da.

Das Spiel “Mensch ärgere dich nicht” ist auch heute noch sehr beliebt.

Lange vor Schach und Backgammon gab es den Vorläufer von „Mensch ärgere Dich nicht“: Vor rund 5000 Jahren spielten die Menschen von Ägypten bis Indien und Sri Lanka ein Brettspiel aus Mesopotamien, bei dem gewürfelt, gelacht und geflucht wurde. Jetzt erlebt das „Königliche Spiel von Ur“ in seiner Heimat eine Renaissance. Ein britischer Archäologe und ein irakischer Künstler wollen das Spiel im Irak wieder unter die Leute bringen. Bei ersten Tests in den Basaren fielen die Reaktionen überaus positiv aus, berichtet Archäologe Ashley Barlow: „Die Leute fragen, wo sie das Spiel kaufen können.“ Barlow will nun mit der Massenproduktion beginnen.

Das Spiel ist fast so alt wie das Rad

Bei Ausgrabungen in den Königsgräbern des sumerischen Stadtstaates Ur im Süden des heutigen Iraks entdeckte der britische Forscher Leonard Woolley in den 1920er Jahren mehrere Spielbretter aus der Zeit um 3000 Jahre vor Christus. Damit ist das Spiel fast so alt wie das Rad. Wegen des Fundorts war vom „Königlichen Spiel von Ur“ die Rede, doch später wurden ähnliche Bretter auch an vielen anderen Stellen angetroffen. Allerdings wusste lange niemand, wie das Spiel gespielt wurde.

Das änderte sich erst, als der Keilschrift-Experte Irving Finkel vor 30Jahren im Britischen Museum die Inschrift einer babylonischen Tontafel übersetzte, auf der die Spielregeln erklärt werden. Auf der Tafel beschreibe der babylonische Autor, ein Astronom, das Regelwerk des Spiels für Freunde und Kollegen in Griechenland, erläutert Finkel in einem Video des Britischen Museums. „Es ist die älteste Spielanleitung der Welt.“

In Tutanchamuns Grab lagen mehrere Spielbretter

Ein „Fenster ins Altertum“ nennt Finkel das Spiel, das Könige und Bettler gleichermaßen begeisterte. „Alle spielten dieses Spiel, bevor Schach und Backgammon daher kamen“, sagt er. „Es muss ein gutes Spiel gewesen sein, denn es wurde 3000 Jahre lang gespielt.“ Auch im Grab des ägyptischen Pharaos Tutanchamun lagen mehrere Spielbretter.

Die Grundregeln klingen jedem vertraut, der sich schon einmal bei „Mensch ärgere Dich nicht“ die Haare gerauft hat. Beim Königlichen Spiel bewegen die zwei Teilnehmer jeweils sieben Steine mit der Hilfe pyramidenförmiger Würfel über 20 Felder. Wie bei „Mensch ärgere Dich nicht“ geht es darum, die eigenen Steine möglichst schnell über das Feld zu bewegen und in Sicherheit zu bringen – auch kann man kann die Steine des Gegners aus dem Spiel werfen. Bei einigen Feldern darf ein zweites Mal gewürfelt werden, und auf einem sind Spielsteine vor Angriffen des Gegners geschützt: Die Kombination aus Glück und Geschick fesselt auch heutige Spieler.

Offenbar wurde auf das Spielergebnis gewettet

Finkel nimmt an, dass das Spiel nicht nur bloßer Zeitvertreib war. Wie bei Pferderennen wurde bei manchen Partien offenbar auf den Ausgang gewettet. Wahrsager glaubten zudem, in den Spielverläufen Hinweise auf das künftige Schicksal der Teilnehmer zu erkennen.

Dennoch ließen die Siegeszüge von Backgammon und Schack das Spiel aus Ur in Vergessenheit geraten. Zwar gibt es seit einiger Zeit im Westen moderne Ausgaben des Brettspiels und auch Online- Versionen, doch im ehemaligen Mesopotamien blieb das Königs-Spiel bisher weitgehend unbekannt.

Der Archäologe Barlow von der Universität von Raparin im nordirakischen Ranya und der Künstler Hoshmand Muwafaq haben sich deshalb vorgenommen, neue Begeisterung für das Spiel zu wecken. Angesichts der blutigen Konflikte und der politischen und religiösen Zerrissenheit im modernen Irak könne das Spiel die Menschen einen, sagte Barlow der Nachrichtenagentur AFP.

Tests in den Basaren und Teehäusern

Muwafaq baute das ursprüngliche Spielbrett nach einer Rekonstruktion des Britischen Museums nach und versah die 20 Felder mit Verzierungen, die schon im Altertum bei dem Spiel üblich waren. Dann machte er sich mit Barlow auf den Weg auf die Basare und die Teehäuser Nordiraks, um das Spiel zu testen.

Auf den ersten Blick ist das Spiel etwas gewöhnungsbedürftig: Das bunt bemalte Brett sieht aus wie ein breites „H“, und die Pyramiden-Würfel haben keine Zahlen, sondern weiß bemalte Spitzen. Doch die Regeln sind schnell erklärt – in seinem Video braucht Finkel dazu nur wenige Minuten – und sprechen den Wettkampfgeist an. „Das Spiel bleibt bis zum Schluss spannend, alles kann sich noch während der letzten Züge ändern“, sagte Barlow kürzlich im nordirakischen Rundfunksender Babylon FM.

Erste Reaktionen moderner Brettspielnarren fielen sehr positiv aus. „Es ist 5000 Jahre alt, aber neu für uns“, sagte Mam Rasool, ein alter Herr aus Ranya, der von Barlow in die Regeln des Königlichen Spiels eingeführt wurde. Ab sofort wolle er spielen wie die alten Sumerer.

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