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Die magische Kraft des Schnees

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Malerische Landschaften, auch die Dörfer ganz in Weiß, eingeschlossen und abgeschieden von der Welt. Wie empfindet ein gebürtiger Bayer aus den Alpen den Winter?

Berchtesgaden. In den Bergen liegt Schnee, blütenweiß und meterhoch bedeckt er Hänge, Wälder und Straßen.

Das Fernsehen unterbricht sein Programm für Sondersendungen: Schneegestöber im Allgäu! Im Minutentakt gibt das Radio Stauwarnungen durch: zähfließender Verkehr kurz vor Rosenheim! Die Zeitungen drucken Panoramafotos von vereisten Landschaften und weißen Baumwipfeln. Eilmeldungen tickern über die Seiten der Nachrichtenportale: verspätete Bahnen, gestrichene Flüge!

Das Wetter erregt momentan viel Aufmerksamkeit in Deutschland. Alle wundern sich: In den Bergen liegt Schnee, blütenweiß und meterhoch bedeckt er Hänge, Wälder und Straßen. Und das mitten im Winter!

So richtig übers Wetter gewundert habe ich mich das letzte Mal als Kind, vor mehr als 30 Jahren. Ich bin im Südosten von Bayern aufgewachsen, direkt am Rand der Berchtesgadener Alpen – dort, wo jetzt der Katastrophenfall ausgerufen wurde: Schneealarm! Wie wunderbar!

Wunderbare Winterstille

Dass über Nacht etwas Seltsames, ja Magisches geschehen ist, bemerkte ich als Kind immer frühmorgens, lange vor Sonnenaufgang. Durch die Fenster meines Zimmers drang ein lautes Kratzgeräusch. Ein dumpfes Schaben, das entsteht, wenn ein Hunderte Kilo schweres Metallstück in Schrittgeschwindigkeit über eine Steinplatte geschoben wird. Brrrchhhtttsch!

Davon wachte ich auf. Ich öffnete die Augen und sah mein Kinderzimmer hell erleuchtet. Durch die Schlitze der Rollläden schossen Lichter in den Raum, ein goldener Schein flackerte an der Wand. Es war die orangefarbene Warnleuchte des Schneepflugs. Ich sprang aus dem Bett, riss die Jalousie mit einem heftigen Ruck in die Höhe und sah: Alles weiß! Die Landschaft vor dem Fenster war über Nacht verzaubert worden.

Lustige Hüte schmückten die Kamine der Häuser, schwer hing der Schnee an den Fichten im Nachbarsgarten, die Wiesen vom Vortag waren nicht wiederzuerkennen. Und dann war da diese Stille. Der Schnee schluckte die meisten Geräusche im Dorf, dämpfte den Lärm der Autos auf der Hauptstraße. Wie in Zeitlupe glitten sie geräuschlos vorbei – und zogen ihre Spuren durch den frischen Schnee. Herrlich!

Bayerische Gelassenheit: „Werd scho’ werden!“

Die Erwachsenen nahmen den Wintereinbruch regelmäßig mit der typisch bayerischen Gelassenheit: „Werd scho’ werden!“ Jacke und Wollmütze anziehen, Schneeschippe raus, Garage freischaufeln, an die Arbeit.

So halten es die meisten Bergbewohner auch heute noch mit dem, was sich gerade in Süddeutschland abspielt. Klar, Respekt sollte man haben, wenn die Natur wie mit einem Fingerschnipp so viel Schnee vom Himmel kippt, dass der über Nacht Autos, Lastwagen und ganze Häuser unter sich begräbt. Doch in den Alpen ist das nun mal das Normalste der Welt. Kein Grund zur Panik.

Unangenehm finde ich den Schnee in Berlin. Denn hier bleibt er nur Minuten lang weiß, dann verwandelt sich die Winterpracht auf den Straßen in einen braunen Brei.

Und neben den Bäumen und Büschen in den Ausgehvierteln der Stadt färbt er sich auch noch: gelb. Ganz ohne Magie.

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