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Kick ju Göthe: Wie Fußball Jungen zum Lesen begeistern kann

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Pilotprojekt an zwölf Schulen in Rheinland-Pfalz: Ein kombiniertes Fußball- und Lesetraining soll Fünft- und Sechstklässler für das Lesen begeistern.

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MAINZ – Jungs haben’s nicht so mit dem Lesen. Zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr konzentriert sich das Interesse immer mehr auf Smartphone und Computer. Bücher? Gelten als uncool. Mit 15 Jahren, das belegen Pisa-Studien, liest mehr als die Hälfte der männlichen Jugendlichen nur noch, wenn es unbedingt sein muss. Zwangsläufige Folge: Insbesondere das Lesen längerer Texte bereitet Jungen deutlich mehr Probleme als Mädchen. Bis zu einem Schuljahr können Jungen bei der Lesekompetenz hinterherhinken.

Das Problem ist nicht neu und es besteht auch nicht nur in Deutschland. Was also dagegen tun? Wie kann es gelingen, die Leseratte im Büchermuffel zu wecken?

Die Antwort des Bildungsministeriums in Mainz lautet: „kicken & lesen“. So heißt ein Programm, das in anderen Bundesländern bereits erfolgreich läuft und mit Beginn des aktuellen Schulhalbjahrs auch in Rheinland-Pfalz gestartet wurde, zunächst als Pilotprojekt an zwölf weiterführenden Schulen, unter anderem an den Integrierten Gesamtschulen Oppenheim und Ingelheim sowie an der Realschule plus in Nierstein. Das Programm richtet sich ausschließlich an männliche Fünft- und Sechstklässler und wird als Baustein im Ganztagsunterricht angeboten.

Fußball- und Lesetraining als Einheit

„Durch eine Kombination aus Fußball- und Lesetraining werden die Teilnehmer spielerisch ans Lesen herangeführt“, skizziert Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) den Kerngedanken. Wie das in der Praxis aussehen soll, ist in der Projektbeschreibung auf der Website des Ministeriums nachzulesen. Die Kinder treffen sich einmal pro Woche zu einer Trainingseinheit von 60 Minuten, um „in einer spielerischen Abfolge von Lese- und Fußballelementen“ gemeinsam zu erleben, wie sich ihre Fähigkeiten in beiden Disziplinen verbessern. Wichtig sei, dass Fußball und Lesen nicht als getrennte Elemente, sondern „als Einheit“ angeboten würden. Etwa so: „Nach einem Staffellauf mit Dribbling folgt eine Lautlese-Übung zu zweit, nach einer Schusstechnik-Übung liest der Trainer vor usw.“ Das klingt kurios, doch es steht ein nachvollziehbares Kalkül dahinter: Die Jungen merken schnell, dass man durch Training besser Fußball spielt und Erfolgserlebnisse die Motivation erhöhen – nun sollen sie begreifen, dass es beim Lesen nicht anders ist.

Teilnehmende Schulen

Integrierte Gesamtschule (IGS) Oppenheim; IGS Kurt Scumacher Ingelheim; Realschule plus Carl Zuckmayer Nierstein; Realschule plus Friedrich Karl Ströher Simmern; Gymnasium Göttenbach Idar-Oberstein; Käthe Kollwitz-Schule Grünstadt; IGS Enkenbach-Alsenborn; Realschule plus Graf Salentin Jünkerath; Realschule plus Lina Pfaff Kaiserslautern; Wilhelm-Busch-Schule Wissen; Realschule plus und Fachoberschule Konz

Wie genau sie das Training gestalten, ist Sache der Betreuer. Das können laut Auskunft des Bildungsministeriums Sport- oder Deutschlehrer aus den Kollegien, aber auch außerschulische Partner sein, etwa Trainer örtlicher Fußballvereine. Das benötigte Lesefutter stellt die Stiftung Lesen zur Verfügung, die neben dem Pädagogischen Landesinstitut und dem Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05 zu den Projektpartnern gehört: Jede Schule bekommt eine Bücherkiste mit 35 Titeln geliefert. Action, Spannung, Humor, Sachbücher, natürlich auch Fußballbücher – für jeden Geschmack sei etwas dabei, wird versichert.

Idee stammt aus Baden-Württemberg

Kommentare

Frank Schmidt-Wyk

Kommentar zum Konzept „kicken & lesen“: Am Ball bleiben

Als zusätzlicher sportlicher Anreiz winken den drei erfolgreichsten Gruppen am Ende des Schuljahrs neben einem Pokal auch eine Autorenlesung sowie die Teilnahme an einem Fußballturnier bei Mainz 05. Dazu werden die Leistungen an Ball und Buch in Form von Punkten in Trainingspässe eingetragen. Außerdem soll ein „Bookslam“ in die Wertung einfließen, ein selbst zu drehendes Drei-Minuten-Video, indem die Jungen eines der gelesenen Bücher auf möglichst kreative und originelle Weise vorstellen sollen.

Abgeguckt hat das Bildungsministerium das Projekt in Baden-Württemberg, wo im Jahr 2007 unter Einbindung des VfB Stuttgart die Idee zu „kicken & lesen“ entstand und seitdem 1500 Jungen teilgenommen haben. Auch in Hessen und in Nordrhein-Westfalen wird mit dem Programm gearbeitet.

„Eine gute Aktion“, sagt Klaus-Peter Hammer, rheinland-pfälzischer Landesvorsitzender der Lehrergewerkschaft GEW – auch wenn es sich „erstmal um ein Inselprojekt“ handele. Er fordert das Ministerium auf, das Konzept „innovativ weiterzuentwickeln“, auf mehr Schulen, eventuell auch auf weitere Sportarten auszuweiten. Er regt aber auch an, das Thema Leseförderung auf breiterer Ebene und dauerhaft im Unterricht anzusiedeln.

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