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Giorgina Kazungu-Haß: Das Energiebündel im Landtag

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Die SPD-Abgeordnete Giorgina Kazungu-Haß (SPD) über Rassismus, die GroKo und ihren Alltag als Politikerin

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MAINZ – Es war auf einer Jugendfreizeit am See. Giorgina Kazungu-Haß war damals 13 Jahre alt. Der Vater Kenianer, die Mutter Deutsche. Ein Jugendlicher aus der Nachbargemeinde sprach sie an: „Ich finde dich ganz toll, aber du kannst ja nichts für die Rassenschande, die Deine Mutter begangen hat.“

Heute ist die SPD-Landtagsabgeordnete 40 Jahre alt. Platter Rassismus wie vor 27 Jahren begegnet der Politikerin nicht mehr, aber Ressentiments und Vorurteile. „Sie sprechen ja Deutsch“, hört die gebürtige Koblenzerin immer mal wieder. Im Sommer berichten überregionale Medien über die Sozialdemokratin: Auf einer Zugfahrt zurück in die Pfalz wollte ein Schaffner sie und ihre Familie aus der Ersten KIasse werfen. „Das ist die Erste Klasse. Ihr müsst da raus“, war die Ansage. Natürlich langsam gesprochen, damit es die „Migranten-Familie“ auch verstehen könne. Die Abgeordnete ging mit dem Fall an die Öffentlichkeit, die Deutsche Bahn und der Schaffner entschuldigten sich anschließend. Kazungu-Haß wurde sogar eingeladen, vor Zugbegleitern zu sprechen.

Damals, auf der Jugendfreizeit mit 13, hatte sie noch nicht diese Courage. „Ich habe lange gebraucht, bis ich das Selbstbewusstsein hatte, um mir klar zu machen, dass ich nicht an der Situation schuld bin. Dass ich das nicht provoziert habe.“

SERIE

Geredet wird in der Landespolitik ja viel. Aber über wen wird in der Zukunft geredet werden, wer hat Potenzial zu mehr? In einer Serie porträtieren wir in den kommenden Wochen Politiker aus Rheinland-Pfalz: Über wen man noch reden wird.

Kaffee mit Kazungu-Haß im Mainzer Bistro „Pomp“. Die Landtagsabgeordnete sprüht vor Energie, bezeichnet sich selbst als „Quasseltante“. Vor ihrer politischen Karriere hatte sie noch ein anderes Leben – etwas, das in der Politik immer seltener wird. Kazungu-Haß ist Mutter von vier Söhnen, studierte Deutsch und Religion auf Lehramt, war zuletzt Konrektorin der IGS in Frankenthal. Sie lebt mit der Familie in Haßloch. Vor dem Studium arbeitete sie im PR-Bereich.

In der SPD ist sie schon sehr lange. Anfang der „00er“ Jahre war sie Chefin der „Jusos“ in Rheinland-Pfalz, der Parteijugend. Sie schmunzelt, wenn sie berichtet, wie der damalige SPD-Landeschef Kurt Beck mal bei einer Debatte an die Decke ging.

Politik – das ist ihr Ding. Kazungu-Haß ist kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, sie hat sich bei den Kulturschaffenden des Landes einen Namen gemacht. Dass sie lange Zeit Jazzsängerin war, schadet da bestimmt nicht (angefangen hat sie übrigens in einer Heavy-Metal-Band). Die SPD-Politikerin ist stolz, dass der Kultur-Etat bei den jüngsten Haushaltsverhandlungen um zehn Prozent gestiegen ist. Kommunale Kulturprojekte zu fördern, das ist ihr Ziel. Und sie habe nicht gedacht, dass man als einzelne Abgeordnete so viel bewegen könne.

Ihre SPD „ist schwer erkältet“

Und die SPD, wie steht es um die? „Wir sind schwer erkältet“, sagt sie zum Umfragetief im Bund. Die Große Koalition habe der Partei nicht gut getan. Kazungu-Haß hatte sich Anfang des Jahres gegen eine Neuauflage der „GroKo“ ausgesprochen. „Der Staat geht nicht unter, wenn die SPD mal nicht mitregiert.“ Statt ständige „Erneuerungs-Nebenkriegsschauplätze“ aufzumachen, müsse die SPD wieder die progressive Partei werden, Reformwillen zeigen, Dinge verändern wollen und die Leute dabei mitnehmen. In Rheinland-Pfalz habe man das mit der Konversion, der Umwandlung militärischer Liegenschaften für die zivile Nutzung, erfolgreich vorgemacht.

Zum Thema Hartz wünscht sich Kazungu-Haß eine „vorwärtsgewandte Debatte“. Die SPD diskutiere hier oft rückwärtsgewandt. Bezugsdauer und Schonvermögen, das seien Klötze, die man anpacken müsse. Die Leute hätten Angst vor dem gesellschaftlichen Absturz. In der Digitalisierung sei die SPD die Partei, die den Ausgleich der Interessen wahren könne. Künstliche Intelligenz werde auch steigende Profite bedeuten. Die Sozialdemokraten müssten sich trauen, darüber zu debattieren, wie solche Profite anders verteilt werden könnten. Die Abgeordnete spricht sich auch für eine radikale Arbeitszeitverkürzung aus.

Die selbstbewusste SPD-Abgeordnete sagt: Ein Mandat, das ist auf Zeit. Sie will sich einsetzen für die Bürger, mit Haut und Haaren. „Wenn ich das Gefühl habe, ich bin überflüssig, dann mache ich etwas anderes“, antwortet die 40-Jährige auf die Frage, ob der Weg Schulsaal – Hörsaal – Plenarsaal gut für die Politik sei. „Ich habe keine Angst vor dem anderen Leben, weil es auch schön ist.“

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