Wirtschaft

Brexit: Die Unsicherheit kann teuer werden

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An diesem Freitag hatten die Briten die EU verlassen wollen. Eigentlich. Der Brexit ist zwar hinausgeschoben, aber noch immer ist kaum jemand darauf wirklich vorbereitet. Genauer: Man ist mehr oder weniger unvorbereitet.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat eine Studie veröffentlicht, die Erschreckendes offenbart: Obwohl seit fast drei Jahren feststeht, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen wird, obwohl seit zwei Jahren auch der vermeintlich genaue Austrittstermin, der 29. März, bekannt ist, ist noch kaum ein Wirtschaftsunternehmen darauf wirklich eingerichtet.

Große Unternehmen, wie beispielsweise Automobilkonzerne, können es sich leisten, gleich ein Dutzend Mitarbeiter dafür abzustellen, sich über mögliche Austrittsszenarien Gedanken zu machen und eine Unternehmensstrategie für den einen oder anderen Fall auszuarbeiten. Kleine und mittelständische Firmen können das nicht. Für sie ist es um so schlimmer, dass sich die Briten auf keinen Austrittsmodus verständigen können.

Entscheidend: die anhaltende Unsicherheit

Diese Unsicherheit ist der Hauptgrund dafür, dass viele Geschäftsleute keine Ahnung haben, wie es nach dem Tag des Austritts weitergehen wird. Denn, so Andreas Glunz von KMPG: “Wenn alle Szenarien möglich sind, kann sich keine Firma auf alle gleichzeitig vorbereiten.”

Das ist nun wirklich kein gutes Zeichen: Der Brexit ist im deutschen Karneval angekommen.

Für die Studie wurden im Dezember und Januar 101 Unternehmen befragt – und zwar britische Firmen mit Niederlassungen in Deutschland und deutsche Firmen, die auch in Großbritannien tätig sind. Dieser  “German British Business Outlook 2019 (GBBO)” wurde von KPMG in Zusammenarbeit mit der britischen Handelskammer in Deutschland (BCCG) durchgeführt.

Vorsichtiger Optimismus

40 Prozent der befragten Unternehmen erwarten der Umfrage zufolge, dass der Brexit große oder sehr große Auswirkungen auf ihr Geschäft haben wird. Und fast jedes zweite Unternehmen (47 Prozent) hält sich selbst für weitgehend unvorbereitet, wenn es zur Trennung kommt.

Obwohl 84 Prozent der Befragten einen Rückgang der britischen Wirtschaftsleistung erwarten, sehen viele Firmen für das eigene Geschäft nicht unbedingt schwarz: 47 Prozent rechnen für das eigene Geschäft mit einem Wachstum, nur 36 Prozent mit einem Rückgang.

Als wenn die Kanzlerin da schon etwas geahnt hätte: Angela Merkel und David Cameron noch vor dem Brexit-Referendum.

Die Angst vor dem Zoll

Laut des “German British Business Outlook” erwartet nur eine Minderheit, dass der Brexit große oder sehr große negative Folgen für ihr Geschäft haben wird, nämlich 40 Prozent. Weitere 38 Prozent der Befragten sehen einen “moderaten Einfluss” auf ihr Geschäft voraus.

Gefragt, was die größten Hürden im gegenseitigen Handel nach einem Brexit sein würden, nannten 47 Prozent, die zu erwartenden bürokratischen Hürden, genauso hoch ist die Anzahl jener Unternehmen, die einen Umsatzrückgang erwarten.

Rund jeder vierte Betrieb (26 Prozent) sieht Störungen in den Lieferketten als die stärkste Bedrohung durch den EU-Austritt der Briten. Für mehr als jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) sind steigende Aufwendungen für Zölle ein Grund zur Sorge.

Britannien bleibt wichtig

Außerdem zeigt die Studie, dass das Vereinigte Königreich für deutsche Unternehmen auch weiterhin wichtig bleiben wird – Brexit hin oder her. Denn trotz teilweise bereits ausgearbeiteter Ausstiegspläne wollen 47 Prozent der Unternehmen weiterhin auf der Insel investieren. Unter anderem auch, weil Großbritannien als Forschungs- und Entwicklungsstandort weiterhin großes Ansehen genießt. Viele Firmen kooperieren mit Universitäten und schätzen die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte.

Jetzt haben wir den Salat: Theresa May natürlich ganz besonders, aber auch Angela Merkel und alle anderen Europäer.

Eng verflochten

Laut der deutsch-britischen Handelskammer betrug das Handelsvolumen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich im vergangenen Jahr 119 Milliarden Euro. Etwa 750.000 Arbeitsplätze in Deutschland hingen vom Handel mit Großbritannien ab.

Deutsche Unternehmen hätten, so die Handelskammer, bis heute mehr als 140 Milliarden Euro auf der Insel investiert. Dort gebe es rund 2500 Niederlassungen deutscher Firmen mit mehr als 400.000 Mitarbeitern. Umgekehrt unterhielten britische Unternehmen in Deutschland 1500 Niederlassungen und beschäftigen und würden mehr als eine Viertel Million Mitarbeiter beschäftigen.

Ein dringender Appell

Andreas Glunz, der Bereichsvorstand für internationale Geschäfte bei KPMG, fasst die Untersuchung so zusammen: “Deutsche Unternehmen sind im britischen Markt wirtschaftlich sehr aktiv. Für einen Großteil der deutschen Wirtschaft ist es daher enorm wichtig, dass ein Hard Brexit vermieden wird. Auch wenn der Ausgang noch immer unsicher ist, gilt es jetzt das laufende Geschäft durch geeignete Maßnahmen so weit wie möglich abzusichern.”

Der Präsident der britischen Handelskammer in Deutschland, Michael Schmidt fügt dem hinzu: “Es ist bedauerlich, dass die politische Entwicklung britischen wie auch deutschen Unternehmen wenig Wahl lässt – sie müssen sich auf den Ernstfall vorbereiten. Die British Chamber of Commerce ruft die politischen Entscheidungsträger dringend dazu auf, die vielschichtigen Verbindungen zum Königreich nicht aufs Spiel zu setzen.”

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