Wirtschaft

Cannabis: Deutschlands Graszüchter stehen fest

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Ein Berliner Start-up und zwei kanadische Graskonzerne sollen für den deutschen Staat medizinisches Cannabis anbauen. Die Entscheidung ist aber noch nicht endgültig. Den potenziellen Grasbauern winken Millionenumsätze.

In Kanada wird bereits im großen Stil produziert – mittlerweile auch für den Freizeitkonsum

So ganz sicher ist beim Cannabisanbau in Deutschland nichts – zu oft schon musste das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Zeitplan für die erste deutsche Grasernte umwerfen. Jetzt geht das Bundesinstitut in die Offensive.

So hat das BfArM die Gewinner und Verlierer der insgesamt 79 Bieter informiert. Aus Branchenkreisen ist bisher durchgesickert, dass die kanadischen Graskonzerne Aurora und Aphria mit ihren deutschen Niederlassungen im Auftrag des Staates anbauen werden. Unter den Gewinnern ist auch das deutsche Start-up Demecan aus Berlin.

Bisher nur illegal möglich – ab 2020 will der deutsche Staat legal medizinisches Cannabis ernten

Insgesamt 13 Lose a 200 Kilogramm hat das BfArM ausgeschrieben. Nach DW-Informationen geht der Großteil davon mit jeweils fünf Losen an Aphria und Aurora. Die Berliner Demecan GmbH bekommt drei. “Wir freuen uns sehr, dass unsere Konzepte überzeugen konnten”, heißt es von Demecan auf DW-Anfrage. Das Unternehmen wurde vor zwei Jahren gegründet, um am Vergabeverfahren für den Anbau teilzunehmen. “Nach dem langjährigen Verfahren fühlt es sich gut an, dass sich die harte Arbeit gelohnt hat.” 

Reicht die Anbaumenge?

Jedes Los umfasst 200 Kilogramm im Jahr. Die Ausschreibung ist für vier Jahre angesetzt – die Gewinner teilen sich also etwas mehr als zehn Tonnen unter sich auf. Das Bundesinstitut rechnet mit der ersten Ernte für Ende 2020. Cannabis-Importe soll es laut dem BfArM aber auch nach der Ausschreibung noch geben. Da das Bundesinstitut den zukünftigen Cannabisbauern die Abnahme der ausgeschriebenen Produktion garantiert, hat sich das Bundesinstitut wohl am unteren Verbrauchslevel orientiert.

Experten sind unsicher, ob sich der Zeitplan des BfArM halten lässt und ob die staatliche Ernte genug abwirft. “Die geplante Anbaumenge in Deutschland wird nicht ausreichen, um weitere Lieferengpässe zu vermeiden”, sagt Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband. Der Lobbyist fordert nun “einen schnellen Beginn des Anbaus und weitere Lizenzvergaben.” Aphria will weiter zweigleisig fahren: “Wir werden auch auf Importe setzen, um auch eine Blütenvielfalt in Deutschland zu garantieren”, sagt Aphria-Deutschlandchef Hendrik Knopp im DW-Interview. 

Seit der Legalisierung von medizinischem Cannabis im März 2017 klagen Patienten und Apotheker immer wieder über Engpässe. War die Bundesregierung bei Ihrer Gesetzesneuerung noch von nur 1000 neuen Patienten im Jahr ausgegangen, schwanken die Zahlen momentan bereits zwischen 40.000 und 70.000 Patienten. Eine zentrale Erhebung gibt es nicht. Das BfArM hat im vergangenen Jahr rund drei Tonnen Importe (siehe Grafik) genehmigt.

Beim BfArM will man noch nicht zur Vergabe Stellung nehmen. Das Bundesinstitut bestätigte aber, dass die entsprechenden Unternehmen informiert wurden. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen müssen Gewinnern und Unterlegenen nun zehn Tage Zeit eingeräumt werden, um gegen die Vergabe zu klagen.

Ein langer Krimi mit noch offenem Ausgang

Weitere Klagen sind nicht auszuschließen. Das Ausschreibungsverfahren startete im Jahr 2017. Schon damals hatten mehrere Unternehmen dagegen geklagt – am Ende mit Erfolg. So musste das Verfahren Ende März 2018 neu ausgeschrieben werden, nachdem das Oberlandesgericht dem BfArM Fehler attestierte. Seit der Neuausschreibung ist eine weitere Klage anhängig. Der eigentliche Termin am 10. April am Oberlandesgericht Düsseldorf wurde auf den 22. Mai verschoben. “Die Erteilung der Zuschläge und der Abschluss der Verträge kann wahrscheinlich erst danach erfolgen”, schreibt der Deutsche Hanfverband in einer Stellungnahme.

Nach DW-Recherchen wird der Kläger vom Münchener Ableger der Anwaltskanzlei Bird & Bird vertreten. Die Anwälte hatte bereits zuvor für Aphria prozessiert. Mit Verweis auf das noch laufende Verfahren wollte sich Aphria-Deutschlandchef Knopp gegenüber der DW dazu nicht direkt äußern. “Wir sind gespannt, ob das Verfahren tatsächlich noch stattfindet – das wird sich innerhalb der nächsten zehn Tage zeigen”, so Knopp. Der Grasriese aus Kanada behält sich so wohl weitere juristische Schritte vor, sollten unterlegene Bieter nun klagen. Ist dies nicht der Fall, könnte Aphria die Klage fallen lassen. 

Den Gewinnern winken Millionenumsätze

Wie viel Umsatz für die potenziellen Grasproduzenten herausspringt, ist unklar. Laut Knopp bewegen sich die internationalen Abgabepreise für ein Gramm zwischen 1,5 und 8 Euro – je nach Sorte, Qualität und Anbauland.

Bei fünf Losen und damit einer Tonne kommt man so schnell auf Millionenbeträge. Schon jetzt scheffeln Unternehmen in Kanada und den USA große Summen. 

Das könnte es bald auch in Deutschland geben – Cannabislabor in Kanada

Aus Patientensicht wird aber entscheidend sein, ob der Anbau in Deutschland auch Auswirkungen auf den Preis in der Apotheke haben wird. Denn nicht jeder bekommt in Deutschland die Kosten einer Cannabistherapie von der Krankenkasse erstattet. Für Selbstzahler fallen so bis zu 26 Euro pro Gramm an. Georg Wurth vom Hanfverband fordert deshalb vom deutschen Anbau “sinkende Preise für Cannabisblüten in den Apotheke”.

Auf den Preis, zu dem das Cannabis an die Apotheken verkauft werde, hätte man aber keinen direkten Einfluss, schreibt die Demecan GmbH. Das in Deutschland angebaute Cannabis wird vom BfArM nach internationalen Vorgaben von den Anbauern gekauft und an Apotheken und Großhändler abgegeben. Gewinne darf das Bundesinstitut dabei nicht erwirtschaften. “Von einem schnellen Sinken der Preise gehen wir derzeit nicht aus”, so das Berliner Start-up. Die Anbaumenge in Deutschland sei noch verhältnismäßig gering. “Sollten die Kapazitäten allerdings erhöht werden, könnte dies durchaus dazu führen, dass die Preise sinken.”

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