Wirtschaft

Chinas Importstopp: Alter Müll, neue Häfen

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China kaufte jahrelang den Plastik- und Papiermüll der Welt auf. Dann zog sich das Land aus dem Geschäft zurück und löste eine globale Müllkrise aus. Wohin nun mit dem Abfall?

Der Wind weht die giftigen Dämpfe hinüber zu den Wohnsiedlungen.”Besonders nachts, wenn die Maschinen der Recylingfabriken anfangen zu rattern, um das Plastik zu schmelzen, dann stinkt es und der Dampf tut in den Lungen weh”, sagt die 47 jährige Lay Peng aus Jenjarom, einem kleinen Dorf unweit von Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias.

“Niemand kann vor den giftigen Dämpfen davon laufen, das ist das Schlimmste.” Nur einen Kilometer von ihrem Haus entfernt werden regelmäßig hunderte Tonnen Plastikmüll illegal verbrannt. Ihre drei Kinder haben Asthma, sagt Lay Peng, ihr Mann liegt mit Lungenkrebs im Krankenhaus. Seit eineinhalb Jahren wird in Jenjarom immer mehr Plastikmüll recycelt und verbrannt: Seitdem ist das Dorf zum Schauplatz einer weltweiten Müllkrise geworden.

Feuerwehrleute löschen Tonnenweise verbranntes Plastik in Jenjarom.

Sie begann am 18. Juli 2017 auf dem Treffen der Welthandelsorganisation in Genf, bei dem China ankündigte seine Importe von Plastik- und Papiermüll zu reduzieren.

Zur Weiterverwertung importierte das Reich der Mitte bis dahin jährlich 56 Prozent des weltweiten Plastikmülls, dazu 60 Prozent des US-amerikanischen und über 70 Prozent des europäischen Papiermülls. Damit war plötzlich Schluss. Man wolle die Umweltinteressen Chinas wahren und die Gesundheit der Chinesen schützen, so die Begründung für die Entscheidung.

Eine Entscheidung, die das weltweite Recyclingsystem zum Stillstand brachte und eine neue Ära einleitete. Der halbe Globus – von den USA, über Europa bis Japan oder Südkorea – muss seitdem neue Abnehmer und Deponien für den eigenen Müll suchen.

“Es war ein riesiger Schock für die globale Recycling Industrie.”, sagt Arnaud Brunet vom weltweiten Branchenverband der Recyclingindustrie Bureau of International Recycling (BIR). Noch im Jahr 2017 verdreifachte Malaysia seine Importe von Plastikmüll.

Neue Häfen braucht der Müll

Die Folge des Schocks: ein Paradigmenwechsel von Angebot und Nachfrage. Der Preis für gemischten Papiermüll fiel im Jahr 2018 zwischenzeitlich von 75 US-Dollar auf nur wenige Dollar pro Tonne. Der Müllhandel zwischen China und den USA brach um 38 Prozent ein – ein Minus von 3,5 Milliarden Dollar.

Für Millionen Tonnen Müll fanden Unternehmen neue Abnehmer in Südostasien, in Malaysia, Thailand, Vietnam, Indonesien oder Indien. Viele der Länder haben laxe Einfuhrvorschriften und wenige oder gar keine Kontrollen.

Irgendwo muss der Müll ja hin, denn in den Industrienationen reichen die Kapazitäten nicht aus, um hunderte Millionen Tonnen Plastik und Papier zusätzlich selber zu recyclen. Zumal sich Plastik nicht komplett recyceln lässt.

Viel Müll, wenig Recycling

Laut eines Berichts der Weltbank werden nur 10 Prozent der Müllimporte aus reichen Ländern in Niedriglohnländern tatsächlich wiederverwertet. 90 Prozent werden verbrannt oder landen auf meist illegalen Mülldeponien, die die Umwelt verseuchen. Was für die lokalen Recycling-Betriebe ein Geschäft mit dem Abfall ist, fördert auch die Übertragung von Krankheitserregern, verursacht Lungenkrankheiten bei Menschen oder tötet Tiere und Pflanzen.

Ein Kind sammelt Plastik zur Wiederverwertung auf einer Mülldeponie in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur.

Der Müllschmuggel blüht

Nun wollen auch südostasiatische Staaten, darunter Thailand, Malaysia und Indonesien nicht mehr mitspielen. Sie haben in den vergangenen Monaten neue Einfuhrbeschränkungen für Müllimporte eingeführt.

In Indonesien gilt jetzt ein Einfuhrstopp für bestimmte Plastikabfälle aus westlichen Ländern. So will man “die Möglichkeit von Umweltschäden und Schäden am Ökosystem durch Müll minimieren”, heißt es aus Kreisen der indonesischen Botschaft bei der EU in Brüssel gegenüber der DW. Die “Recyclingquoten sind gering” und das gesamte Thema eine “Herausforderung”. 

“Trotz der Einfuhrbeschränkungen kommen immer noch containerweise gemischtes Plastik in die Länder. Der Müllschmuggel blüht und die Regierungen sind mit den Kontrollen überfordert.”, sagt Heng Kiah Chun von Greenpeace Asien.

Laut Joe Pickard, Chef Ökonom des US amerikanischen Branchenverbands Institute of Scrap Recycling Industries sind die asiatischen Restriktionen auf dem US-amerikanischen Markt schon spürbar. “Definitiv landet heute mehr Plastik in den USA in lokalen Deponien und Verbrennungsanlagen als noch vor einem Jahr.”

Er sieht es aber als eine Chance in mehr lokale Recyclinganlagen und die Technologie dahinter zu investieren. “Wir müssen verstehen, dass es auch um eine Ressource handelt mit der man Geld verdienen kann. Dort liegt der Punkt für einen Wandel, auch bei uns vor Ort.” Die EU exportiert inzwischen weniger Plastikmüll.

Der Müll der anderen

Aktuell wird unter den 28 Mitgliedsstaaten einen Vorschlag Norwegens diskutiert, die Baseler Konvention zu ändern, um den Export von schlecht wiederverwertbarem Mischplastik deutlich zu erschweren.

Aus einer Quelle im Rat der EU heißt es gegenüber der DW, dass man den Vorschlag zwar begrüße, dennoch müsse man realistisch sein. “Wir befürchten, dass ein Exportverbot von Plastikmüll Nachteile für einige Mitgliedsstaaten und die Umwelt vor Ort haben könnte.” Nicht jedes EU Mitglied habe ausreichende Möglichkeiten, bestimmte Plastiksorten zu recyclen. 

Dieses Problem müssen die Europäer nun selber lösen. Nach jahrelangem Wirtschaftswachstum und steigenden Konsumzahlen produzieren 1,4 Milliarden Chinesen genug Müll, um heimische Müllfabriken mit Kunststoffabfällen zu versorgen.

“China macht sich daran eigene Sammelsysteme, Mülltrennung aufzubauen und den lokalen Müll zu verwerten.”, so Arnaud Brunet von BIR. “China macht sich unabhängig von unserem Müll.” 

Schlecht verwertbaren Müll exportiert auch China in andere Länder. So gehört das unter chinesischer Kontrolle stehende Hong Kong längst zu den Top 10 der Plastikexporteure nach Malaysia.

Gleichzeitig werden Müllimporte nach China weiter reduziert. Bis Ende 2019 will China laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua die Einfuhr von acht weiteren Müllkategorien verbieten oder auf ein Minimum reduzieren. Darunter Elektrogeräte, Stahlschrott von Schiffen und Autoteilen und Holz.

Gerne importiert China allerdings bereits recyceltes Plastik aus dem Ausland. Und das liefern immer öfter chinesische Firmen, die sich nach dem Importstopp zu Hause in südostasiatischen Ländern niedergelassen habe.

“Um das Dorf herum habe ich mit meinen Nachbarn 40 Recyclinganlagen gezählt,” sagt Lay Peng. Seit Herbst 2017 seien die Recyclingfabriken “wie die Pilze aus dem Boden geschossen”. Viele würden von chinesischen Firmen betrieben. Und so wehen jetzt die giftigen Dämpfe, die bis vor kurzem in China aufstiegen, durch Orte wie Jenjarom in Malaysia.

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