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Ein Krebs wie ein Anschlag auf die Natur

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Ein Cheerleader als Todesengel: Der Kalikokrebs ist eine der gefährlichsten invasiven Arten in Deutschland. Ob er auch Berliner Gewässer verwüstet, hängt allein vom Menschen ab.

Kaliko mit den Scherenhänden. Er frisst alles, was er in die Zange bekommen kann, und viel davon.

Ein Haarpuschel in der Schere hat ihm seinen Spitznamen verschafft: “Cheerleaderkrebs” wird Orconectes immunis, der Kalikokrebs, auch genannt. Das ist aber das einzig Amüsante, was es über die Art zu berichten gibt. Denn sie hat sich – offenbar nachdem Aquarianer 1993 nahe Baden-Baden Tiere ausgesetzt hatten – massiv ausgebreitet.

Inzwischen ist sie entlang des gesamten Oberrheins zu finden. “In 80 Prozent der Auengewässer”, glaubt Andreas Stephan, der an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe den Kalikokrebs erforscht, sei er nun heimisch.

Die Tiere werden bis zu etwa zehn Zentimeter lang. Was sie auslösen, sagt Stephans Kollege Karsten Grabow, sei allerdings sogar vom Weltraum aus sichtbar: “Auf Satellitenaufnahmen sind Gewässer, die vor Kurzem noch gesund und grün aussahen, nur noch braune Tümpel, da sind dann nur noch Krebse drin.” Ab ein bis zwei Tieren pro Quadratmeter, so ergab eine Studie aus den Niederlanden, schädigen sie die Vegetation. In den Karlsruher Untersuchungen ist das Zehnfache keine Seltenheit. Die Allesfresser verspeisen neben Pflanzenteilen auch Amphibien und deren Eier oder auch Insektennachwuchs, etwa von Libellen.

Die Tiere vermehren sich schnell. “Ein Krebs, der Anfang des Jahres aus dem Ei schlüpft, ist schon im August desselben Jahres geschlechtsreif und kann Hunderte von Eiern tragen”, sagt Stephan. Über Land wandern und in neue Gewässer vordringen können sie auch.

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Krebse zu fangen ist verboten. Sie auszusetzen ist ein Anschlag auf die Natur

Wie stark die Art sich weiter ausbreiten wird, ist unklar. Es hängt nicht nur von ihr ab, sondern auch vom Menschen. Zwar mag Kaliko sandige Gewässer weniger, aber “grundsätzlich könnte er auch in Brandenburg heimisch werden”, sagt Grabow. Hierher bringen können ihn allerdings nur Menschen. Die “eindeutige Ansage” sei also, keine Krebse irgendwo zu fangen – was ohnehin verboten ist – und anderswo freizulassen.

Los wird man den Kalikokrebs in Deutschland jedenfalls nicht mehr werden. Ob sich, wie gelegentlich bei anderen invasiven Arten beobachtet, irgendwann natürliche Feinde oder Krankheiten einstellen werden, die die Bestände dann in erträglichem Rahmen halten könnten, weiß niemand. Bekämpfen kann man die Tiere aber in gewissem Maße. Grabow und seine Kollegen versehen etwa speziell angelegte Naturschutztümpel, die einheimischen Amphibien dienen sollen, mit Kiesschichten. Die mag der Cheerleader gar nicht. Und Barrieren aus Holzstämmen helfen, Tiere vom Wandern abzuhalten. “Amphibien können diese meist überwinden, die Krebse aber eher nicht”, sagt Grabow.

“Killermaschine”

Ohne Bekämpfung „gehen wir davon aus, dass der Krebs in zehn bis fünfzehn Jahren dafür gesorgt hat, dass Amphibienbestände massiv eingebrochen sind und keine Chance mehr auf Erholung haben“, sagt Stephan. Adam Schnabler, Nabu-Experte für Flusskrebse, hält den Kalikokrebs für eine der bedrohlichsten invasiven Arten in Deutschland überhaupt. Er nennt ihn “eine richtige Killermaschine”.

Anders als bei ebenfalls eingeschleppten Krebsen im Berliner Tiergarten sind die Chancen, den Cheerleader zu nutzen, gering. Zwar ist sein Fleisch essbar. Doch dort, wo er in Massen auftritt, erreichen Tiere nur geringe Größen. Sie aus ihren Höhlen herauszuholen, wäre zudem zu schwierig und würde auch keinem Gewässer guttun. (mit Material von dpa)

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