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Dunkles Eis schmilzt schneller

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Wie schnell Gletscher schmelzen, hängt vom Schmutz im Eis, aber auch von der Größe der Kristalle und von Bakterien ab. Einige Prognosen für den Grönländischen Eisschild geraten nun jedoch ins Wanken.

Drohender Verlust. Verunreinigungen im Eis und relativ warme Tauwasserseen begünstigen die Gletscherschmelze. Diese Aufnahme haben…

Auf dem Globus leuchtet der grönländische Eisschild strahlend weiß, schaut man aus dem Flugzeug, gibt es aber viele Stellen, die dunkel erscheinen. Die Verfärbungen des Eises haben verschiedene Ursachen – und maßgeblichen Einfluss auf das Schmelzverhalten der Gletscher.

Prinzipiell gilt, dass eine dunkle Fläche mehr Sonnenstrahlung aufnimmt als eine helle und sich stärker erwärmt. Ist Eis durch Staub oder Ruß verunreinigt, taut es daher schneller. Damit nicht genug: Während das Schmelzwasser abfließt, sammeln sich die Verunreinigungen an der Oberfläche und begünstigen das weitere Abtauen. In den Abschätzungen des Weltklimarates zum künftigen Meeresspiegelanstieg sei dieser Effekt nicht berücksichtigt, schreiben Forscher um Thomas Golles vom Universitätszentrum auf Spitzbergen im Fachmagazin „The Cryosphere“. Ihren Berechnungen zufolge könnte die Ansammlung von Staub und Ruß dazu führen, dass der Eisverlust Grönlands langfristig um sieben Prozent größer ausfällt als gedacht, wahrscheinlich noch mehr.

Zu wenige Proben, um für ganz Grönland zu sprechen

Allerdings ist die Unsicherheit in puncto Gletscherschmelze nach wie vor groß, selbst bei Ruß und dessen Wirkung aufs Eis, die gut erforscht ist. Ob es jüngst tatsächlich zu einer Zunahme des schwarzen Kohlenstoffs im grönländischen Eis kam, wie gelegentlich behauptet, ist nicht sicher. Zwar deuten einige Eisbohrkerne darauf hin. „Aber um eine Aussage für ganz Grönland zu machen, benötigen wir mehr Proben – und die haben wir nicht“, sagt Angelika Humbert, Glaziologin am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven.

Aus ihrer Sicht sollte vor allem die „Metamorphose von Schnee“ besser erforscht werden, also das Wachsen der Schneekristalle in den oberen Gletscherschichten im Lauf der Zeit. Je größer die Körner sind, umso mehr Strahlung im nahen Infrarotlicht nehmen sie auf, was das Schmelzen ebenfalls begünstigt. „Wir wissen noch immer nicht, wie die Metamorphose genau abläuft, welche Einflüsse die wichtigsten sind und welche Rolle zum Beispiel die Verunreinigungen durch Staub und Ruß dabei spielen“, sagt Humbert.


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Keine Hinweise auf mehr Ruß

Die Struktur der Eispartikel, Verunreinigungen, aber auch kälteliebende Bakterien, die ebenfalls zur Verdunklung des Eises beitragen, wirken sich unmittelbar auf die „Albedo“ aus. So bezeichnen Forscher das Reflexionsvermögen einer Oberfläche. Der Wert ist entscheidend, wenn Glaziologen die Entwicklung eines Gletschers simulieren wollen. Satellitenmessungen ließen vermuten, dass die Albedo des grönländischen Eisschilds seit Jahren abnimmt. Das ist offenbar ein falscher Schluss, glauben Forscher um Chris Polashenski vom Dartmouth College in Hanover (New Hampshire). Sie haben Dutzende Schneeproben aus Nordgrönland analysiert.

Wie sie in den „Geophysical Research Letters“ schreiben, gebe es keine Hinweise, dass es in den letzten 60 Jahren mehr Rußeintrag gegeben hätte, auch die Zusammensetzung des Staubs sei kaum verändert. Ihr Fazit: Die Sensoren, die auf dem „Terra“- und dem „Aqua“-Satellit der Nasa montiert sind, seien gealtert und würden zumindest in höheren Lagen eine Entwicklung der Albedo vortäuschen, die es gar nicht gibt. Laut den Autoren wird der Trend wahrscheinlich verschwinden, wenn die Messdaten mit einer entsprechenden Korrektur versehen und erneut ausgewertet werden.

Die Forscher sind auf die alten Nasa-Satelliten angewiesen

Humbert zufolge ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Satellitensensor mit der Zeit altert und andere Werte liefert als zu Beginn der Mission. “Entscheidend ist, dass der Fehler erkannt wird, dann kann man versuchen, die Daten zu korrigieren.” Was die Albedo betrifft, sind die Forscher zwingend auf die beiden Nasa-Späher angewiesen, die 1999 und 2002 ins All geschickt wurden. Es sind die beiden einzigen, die über Sensoren verfügen, die das Reflexionsvermögen der Erdoberfläche gut bestimmen können. Wie lange Terra und Aqua noch durchhalten, ist ungewiss. Möglicherweise kann die Albedo zusätzlich von den europäischen Satelliten “Sentinel-2” und “Sentinel-3” ermittelt werden, die in der nächsten Zeit schrittweise gestartet werden sollen.

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