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Worms will nicht zum Kreis – Protest gegen Gutachten des Landes

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Die Vorschläge für eine Fusion von Landkreis und Stadt werden von der kreisfreien Stadt Worms kategorisch abgelehnt – und auch der Kreis zeigt kein Interesse.

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MAINZ – Ein guter Grund für eine Fusion der bislang kreisfreien Stadt Worms und dem Landkreis Alzey-Worms könnte sein, dass dann die Lasten auf mehreren Schultern liegen. Aus Sicht der Stadt Worms mit ihren insgesamt rund 480 Millionen Euro Schulden durchaus nachdenkenswert. Im Kreis freilich sieht man das ganz anders. „Wir könnten die zusätzliche Last aus Worms gar nicht tragen“, sagt Landrat Ernst Walter Görisch, dessen „eigene“ Schulden sich auf insgesamt 173 Millionen Euro addieren. Es bleibt aber ohnehin Theorie, denn es ist der einzige Punkt, der in der Stadt überhaupt als überdenkenswert angesehen wird. Oberbürgermeister Michael Kissel, wie Görisch Sozialdemokrat, lehnt eine Fusion rundweg ab: „Ich werde mich entschieden dagegen wehren.“ Auch SPD-Unterbezirksvorsitzender und Landtagsabgeordneter Jens Guth erklärt sofort: „Eine solche Fusion ist mit mir nicht zu machen.“ Als damals das Gutachten in Auftrag gegeben worden sei, habe man an kleine Städte wie Pirmasens oder Zweibrücken gedacht, aber nicht an Worms, betont er und fügt hinzu, dass die Stadt ja stetig wachse und heute schon bei rund 88.000 Einwohnern liege.

Lesen Sie hier die Reaktionen auf das Gutachten nach der Veröffentlichung.

Sein Landtagskollege von der CDU, Adolf Kessel, sieht es nicht anders. Klare Haltung der Landtagsfraktion der CDU sei es ohnehin, dass man freiwilligen Zusammenschlüssen nicht im Wege stehen werden, „aber Zwangsfusionen darf es nicht geben.“ Dass Worms sich freiwillig dem Kreis anschließen würde, hält Kessel für ausgeschlossen, schon allein, weil es zu Verwaltungen kurze Wege geben müsse. Kessel, der gerade grandios das Rennen ums Amt des Oberbürgermeisters in Worms gegen Michael Kissel gewonnen hat, betont aber: „Das ist meine Stellungnahme zum Thema als Landtagsabgeordneter.“ Er möchte nicht als künftiger OB, der er im Juli 2019 werden wird, jetzt schon in Diskussionen eingreifen.

Nur ein Vorschlag von Gutachtern

Der noch amtierende OB Kissel jedenfalls empfiehlt allen Fraktionen des Stadtrates, sich ganz klar und eindeutig zu positionieren: für den Erhalt der kreisfreien Stadt. Gegen Kooperationen in Rheinhessen sei nichts einzuwenden, aber Kissel geht es um die Eigen- und Selbstständigkeit. Eine „Einkreisung“, wie es in schönstem Behördendeutsch heißt, „würde zu erheblichen Eingriffen in die bewährte Allzuständigkeit der kreisfreien Städte und zu einer Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie führen“, sagt Kissel. Es könne nicht sein, dass über Wormser Belange in Alzey entschieden werde.

Wobei das ja noch gar nicht ausgemacht ist. Ohnehin muss man immer wieder betonen, es handelt sich um einen Vorschlag von Gutachtern, also noch nicht einmal um eine politische Willensbekundung. Trotzdem darf man sich an dieser Stelle einmal 50 Jahre zurückerinnern. Damals wurde in einer groß angelegten Reform der „Landkreis Worms“, in etwa das Gebiet des Wonnegaus, zum heutigen Kreis Alzey-Worms. Es entbrannte eine erbitterte Diskussion darum, wo der Kreissitz sein sollte: Im alten Landratsamt in Worms oder andernorts? Landrat Görisch weiß das natürlich noch und hielt und hält das Argument für einen Sitz sozusagen im Zentrum des Kreises für sehr vernünftig. Aber mit einer Fusion wäre Worms natürlich die mit Abstand größte Gemeinde des Kreises und könnte mit Fug und Recht den zentralen Sitz der Kreisverwaltung für sich beanspruchen. Zumal ohnehin im kommenden Jahr just das frühere Landratsamt umgebaut werden soll zum „Rathaus 2“. Aber auf diese Argumentation lässt sich der Oberbürgermeister nicht ein. Was dort entstehen soll, reiche ja so gerade eben, um die heute über mehrere Standorte verteilten „Außenstellen“ des Rathauses hier zusammenzuziehen. Und in Alzey, der „heimlichen Hauptstadt Rheinhessens“, ist gerade erst ein drittes Verwaltungsgebäude für zehn Millionen Euro gebaut worden, damit alle der deutlich mehr als 500 Verwaltungsmitarbeiter des Kreises vernünftig arbeiten können. Die Kernverwaltung der Stadt Worms umfasst heute rund 1.300 Mitarbeiter, zählt man die Eigenbetriebe und das Klinikum zum „Konzern Stadt Worms“ zusammen, sind es rund 4.000 Mitarbeiter.

„Geld wird so nicht gespart“

Ernst Walter Görisch sagt als Politik-Profi natürlich, dass der Kreis selbstverständlich gesprächsbereit sei. Doch das „aber“ ist deutlich im Hintergrund zu hören. Für den Landrat ist die entscheidende Frage: „Ist das wirtschaftlich sinnvoll?“ Die Antwort liefert er gleich mit: Bislang sei es bei solchen Versuchen nicht gelungen, Geld zu sparen. Ganz konkret blickt er nach Sachsen. Dort liegt die Wormser Partnerstadt Bautzen ebenso wie wenige Kilometer weiter Kamenz, die Partnerstadt der Stadt Alzey, außerdem noch Hoyerswerda. Allen drei gleich ist, dass sie Teil der großen Kreisreform waren, bei der die Zahl der Landkreise in Sachsen von 22 auf zehn sank und von sieben kreisfreien Städten nur drei übrig blieben. Nur Einsparungen gab es nicht. Der Wormser Oberbürgermeister Michael Kissel verweist auf die „Frankenthaler Erklärung“, die Ende Oktober von der Mitgliederversammlung des Städtetages Rheinland-Pfalz schon mit Blick auf das Gutachten vorsorglich verabschiedet worden war. Auch dort wird diese sächsische Reform als Beweis dafür angeführt, dass sich so kein Geld einsparen lasse. Durch eine umfassende Studie „zeigte sich nicht nur, dass die Kosten weiter anstiegen, sondern auch, dass es keinen Unterschied zu anderen Bundesländern gab, die keine Gebietsreformen durchgeführt haben“, heißt es darin.

Für Michael Kissel bleibt es dabei: Statt staatliche Auftragsangelegenheiten für viel Geld auf den Landkreis zu verlagern, sollte über eine Bündelung solcher Aufgaben etwa mit den benachbarten Verbandsgemeinden nachgedacht werden. In Monsheim war Kissel elf Jahre Verbandsbürgermeister, kennt die „VGs“ also von innen. Bürgern der VG sei es sicherlich eher zumutbar, in Worms Dinge zu erledigen, weil viele ohnehin immer mal wieder hierher kommen. Muss jede VG einen eigenen Bauhof haben? Soll jeder die Müllabfuhr für sich alleine organisieren, was ist mit der Gebäudereinigung? In solchen Fragen sieht Kissel durchaus Chancen für interkommunale Zusammenarbeit: „Es gibt da viele Formen der Kooperation.“ Bislang allerdings ist auf diesem Feld noch wenig passiert, weshalb Kissel auch zu „vertiefenden Untersuchungen“ rät.

Kissel: „Wir brauchen eine Stärkung der kreisfreien Städte“

Und die Sache mit den Schulden, die abzubauen bei einem jährlichen Zuschuss von annähernd 60 Millionen Euro allein im städtischen Sozialetat einigermaßen utopisch ist? „Wir brauchen eine Stärkung der kreisfreien Städte und keine Schwächung“, sagt Kissel. Anders ausgedrückt: Statt teurer Fusion eine bessere Finanzausstattung der Städte. Eine uralte Forderung der Städte.

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