Wissen und Technik

Virtuelle Wanderungen durch die Ewige Stadt

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Per Mausklick ins antike Rom: Berliner Archäologen haben das Forum Romanum digital rekonstruiert – quer durch die Epochen. Romreisende können das Forum künftig mit dem Tablet-PC erwandern.

Hoher Wiedererkennungswert. Die heutige Situation der Ausgrabungsstätte am Forum Romanum lässt sich mit der digitalen…

Wo tausend Jahre lang immer wieder gebaut, abgerissen, verschönert und neu gebaut wurde, wo symbolisch, religiös und politisch die Fäden des römischen Weltreichs zusammenliefen, dort weidete später das Vieh. Campo Vaccino, Kuhweide, nannten die Römer im 18. Jahrhundert das ehemalige Forum Romanum, den zentralen öffentlichen Platz der antiken Metropole, der nach seiner endgültigen Plünderung als Steinbruch für den Bau des neuen Petersdoms unter saftigem Gras verschwunden war. Noch die in Kupfer gestochenen Stadtansichten Giovanni Battista Piranesis, beliebtes Reisesouvenir der Goethezeit, zeigen eine ländliche Idylle vor antiker Kulisse. Nach den umfangreichen Ausgrabungen im 19. und 20. Jahrhundert jedoch scheint kaum ein anderer Ort so viel authentische Antike zu vermitteln wie das zum archäologischen Großexponat herauspräparierte Forum.

Diese Rekonstruktion zeigt das Forum Romanum um 310 n.Chr.

Heutige Touristen wähnen sich angesichts des freigelegten Ruinenfelds dem politischen Wirkungsfeld von Julius Cäsar und Cicero nahe. Susanne Muth, seit 2008 Professorin für Klassische Archäologie am Winckelmann-Institut der Berliner Humboldt-Universität, begegnet dieser touristischen Illusion mit vertiefter Information. Seit 2011 arbeitet die Altertumsforscherin, die sich seit einem Jahrzehnt mit dem Forum beschäftigt und derzeit eine Monografie darüber schreibt, mit Studierenden ihres Lehrstuhls an einem digitalen Modell des Forum Romanum. Nach einer Testphase ist www.digitales-forum-romanum.de seit dem gestrigen Mittwoch online (hier) .

Angelegt als Kooperationsprojekt des Winckelmann-Instituts, des Berliner Exzellenzclusters Topoi und des Architekturreferats des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), zeigt die Website exemplarisch, was Berlins geisteswissenschaftliche Fakultäten trotz eng geschnürter Budgets zu leisten vermögen.

Bislang gibt es sechs Zeitschnitte, weitere 12 sollen hinzukommen

Das von Muth und ihren Studenten zusammen mit Armin Müller vom DAI entwickelte 3-D-Modell ist nicht der erste Versuch, das Forum Romanum zu rekonstruieren. Seit der Renaissance haben sich bildende Künstler, Architekten, Altertumsforscher und antikenbegeisterte Laien immer wieder an Rekonstruktionen versucht, die oft mehr über ihre Autoren und den herrschenden Zeitgeist sagen als über die realen archäologischen Befunde.

Auch digitale Visualisierungen existieren bereits, wobei die erste, das 1997 gestartete „Digital Roman Forum“ der University of California in Los Angeles, nach wie vor als Referenzprojekt gilt. Die meisten Rekonstruktionsversuche jedoch, unabhängig davon, ob digital oder analog, konzentrieren sich auf das kaiserzeitliche Forum des 4. Jh. n. Chr., ein von zahlreichen Monumenten und Säulenarchitekturen gegliedertes urbanistisches Gesamtkunstwerk.

Das Berliner Projekt hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass Zeitschnitte von der Stadtgründung im 7. Jh. v. Chr. über alle Phasen von Republik und Kaiserzeit bis hin zu Spätantike und Frühmittelalter visualisiert werden. Als Abgleich mit der eigenen touristischen Anschauung ist die letzte Darstellungsebene „Gegenwart“ gedacht, die in Kurzvideos Ansichten des heutigen Forum mit perspektivischen Rekonstruktionen antiker Zustände überblenden wird – bislang zu erleben in einer Demoversion. Aktuell sind sechs Stufen auf der Zeitleiste freigeschaltet, von der späten Republik um 200 v. Chr. bis zur Zeit der Tetrarchen um 310 n. Chr.

Noch einmal doppelt so viele sollen in den nächsten Jahren folgen, um den Überblick zu komplettieren. Viele Vorarbeiten der studentischen Projektgruppe, die zeitweise aus 20 Mitgliedern bestand, liegen bereits vor. Das digitale Modell ist nicht nur ein Ergebnis universitärer Teamarbeit, sondern ein großes work in progress, dessen Initiatoren man einen langen Atem wünscht. Weitere Feinjustierungen auf dem Zeitstrahl hält Susanne Muth für möglich, wenn die Finanzierung – derzeit wird nur eine Mitarbeiterstelle im Rahmen von Topoi gefördert – längerfristig gesichert werden könnte. Das bereits jetzt deutlich sichtbare Potenzial ist auch für internationale Kooperationspartner attraktiv, glaubt Muth.

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