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Viel Schall um wenig

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Ultraschalluntersuchungen zur Früherkennung von Brustkrebs zahlen Kassen nicht. Aus gutem Grund?

Ein Risikofaktor für Brustkrebs sind die monatlich schwankenden Hormonspiegel. Auch Alkoholkonsum, sowie Übergewicht und…

Seit 2009 können Frauen ab 50 Jahren ihre Brust regelmäßig röntgen lassen. Das Mammographie-Screening soll Geschwulste möglichst früh aufspüren, damit sie schneller und damit oft erfolgreicher behandelt werden können. Zusätzliche Untersuchungen der Brust mit Ultraschall werden von den Krankenkassen hingegen nicht übernommen. Viele Frauenarztpraxen bieten sie aber dennoch als „Individuelle Gesundheitsleistung“ (IGeL)an und bewerben sie – mitunter sogar als Alternative zur Mammographie. Ob und wem dies nützt, ist aber unklar.

Ultraschall nur zusätzlich zum Röntgen nützlich

Sinnvoll sei der Ultraschall nur „zusätzlich zum Röntgen“, sagt Alexander Mundinger, Spezialist für Brustkrebs-Diagnostik. Auch die aktuelle Leitlinie mehrerer ärztlicher Fachgesellschaften sieht die Methode lediglich als „Ergänzung der Mammographie“. Der Mediziner vom Franziskus-Hospital Harderberg im niedersächsischen Georgsmarienhütte sagt, Vorteile gebe es besonders für Frauen mit dichtem Drüsengewebe, denn hier liege „der blinde Fleck der Mammographie“.

Mundinger ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin. Auf seiner Website erklärt der Verband, die Brust erscheine im Röntgenbild um so heller, je dichter sie sei. Weil sowohl dichtes und normales, als auch krankes Gewebe hell aussähen und somit schlecht unterscheidbar seien, würden in solchen Fällen Karzinome eher übersehen. Im Ultraschall erscheine das Drüsen- und Bindegewebe dagegen immer hell, Tumoren dagegen meist dunkel.

Die Brustdichte wird im deutschen Mammografie-Screening-Programm weder erfasst, noch den untersuchten Frauen oder ihrem behandelnden Arzt mitgeteilt. Diese Informationslücke macht es den Patientinnen schwer, da sie sich in falscher Sicherheit wiegen könnten. In den USA dagegen schreibt schon seit 2011 in den meisten Bundesstaaten ein Gesetz vor, dass Patientinnen über ihre Brustdichte aufgeklärt werden müssen, und was das für ihr Erkrankungsrisiko und die Gültigkeit der Mammografie-Ergebnisse bedeutet.

Risikofaktor “Brustdichte”

Brustkrebs ist mit 69 000 Neuerkrankungen die häufigste Krebsform bei Frauen in Deutschland. 17 000 sterben daran jährlich. Durch das Mammografie-Programm werden Tumoren früher und häufiger entdeckt. Nach dessen Einführung stieg die Diagnosenzahl sprunghaft, geht mittlerweile aber wieder zurück.

Ein Risikofaktor ist die Brustdichte. Eine Studie an 15 000 Frauen im Rahmen des Screeningprogramms in Schweden zeigte, dass höhere Dichte des Gewebes nicht nur mit häufigeren Neuerkrankungen einherging, sondern dass Frauen dann auch häufiger daran starben. Eine norwegische Studie bestätigte dies im Juni diesen Jahres und zeigte zudem, dass die Tumore, die in einer dichten Brust wachsen, aggressiver sind als die einer normaldichten Brust.

Anderswo ist die Ultraschalluntersuchung längst Bestandteil der regulären Screenings – etwa in Österreich. Die Ultraschall-Gesellschaft fordert immer wieder, dass die Technik standardisiert bei Routineuntersuchungen zum Einsatz kommt – und zwar bereits bei Frauen ab 40 und unabhängig von der Gewebedichte. Ein Fünftel der Tumoren trete bei Frauen unter 50 auf, die naturgemäß eine dichtere Brust und daher schlechtere Voraussetzungen für die Mammographie hätten, argumentiert Mundinger.

Schäden durch Fehlalarme und Überdiagnosen möglich

Hier gehe die Ultraschall-Gesellschaft zu weit und über die Empfehlung der ärztlichen Leitlinie hinaus, kritisiert die von den gesetzlichen Kassen finanzierte Informationsplattform „IGeL-Monitor“. Ein Problem sei vor allem, dass „mögliche Schäden durch Fehlalarme und Überdiagnosen“ nicht berücksichtigt würden. In den Leitlinien findet sich der Hinweis, der Ultraschall könne zwar bei dieser Gruppe Personen mehr Tumoren finden. Gleichzeitig steige auch die Wahrscheinlichkeit für Fehlalarme und unnötige Untersuchungen. Das hätten alle wissenschaftlichen Übersichtsarbeiten ergeben.

„Viel finden, heißt nicht viel nützen”, sagt Christian Weymayr vom IGeL-Monitor. Der Ultraschall sei zwar empfindlicher. Doch so könne auch Krebsverdacht entstehen, wo keiner ist. Die Betroffenen sind dann mit einer Krebsdiagnose konfrontiert, was psychisch sehr belastend sein kann. Dann folgen Kontrolluntersuchungen und Biopsien für eine endgültige Diagnose. Überdiagnosen, etwa von kleinen, langsam oder gar nicht wachsenden Tumoren, führen auch zur Übertherapie, mit all ihren Nebenwirkungen. Gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt kontert Joachim Hackelöer, ebenfalls Arzt in der Ultraschall-Gesellschaft, zu viel gefunden würde allein aufgrund der „unzureichenden Qualität der Untersucher“.

Daten, um Nutzen und Schaden abzuwägen, fehlen

Bei Frauen, für die ein erhöhtem Brustkrebs-Risiko bekannt sei, werde Ultraschall bereits angewandt, sagt Weymayr, selbst wenn ein Mammografie-Screening unauffällig war. Zur Frage, ob Ultraschall auch Frauen ohne besonders erhöhtes Brustkrebsrisiko davor bewahren kann, an Brustkrebs zu sterben, gibt es laut IGeL-Monitor keine Studien. Doch ohne Daten lassen sich Nutzen und Schaden kaum abwägen. Studien sind geplant, aber bislang nicht finanziert. Bis Forschungsarbeiten vorliegen, muss jede nicht besonders gefährdete Frau eine eigene Abwägung treffen. Zumindest sind die Kosten für die Untersuchung mit 26 bis 60 Euro nicht sehr hoch. Und im Vergleich zu anderen Leistungen im IGeL-Katalog ist für sie zwar kein Nutzen, aber immerhin auch kein direkter Schaden nachgewiesen.

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