Wissen und Technik

Spinnen gehen mit Nanotech an die Decke

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Spinnen können gut klettern und auch Überhänge bewältigen. Wie sie das machen, ohne sich ständig die Spinnenbeine zu brechen, war ein Rätsel – bis jetzt

Beinfrisur. Dass Spinnen haarig sind, hat einen Sinn.

Wenn die Freundin „Hilfe, mach sie weg!“ schreit und dabei panisch an die Decke zeigt, drängt sich vielleicht bei manchen die Frage auf, wie so kleine harmlose Lebewesen so große Panik auslösen können. Dazu gibt es verschiedene Theorien, doch keine davon ist bisher bewiesen. Forscher der Christian Albrechts Universität zu Kiel interessierte diese Psychologie ohnehin weniger, sondern eher Spinnen-Physik: Wie schaffen die Tiere es überhaupt, über Kopf an der Decke herumzulaufen?

Strapazierfähiges Haar

Dazu haben sie die Struktur der Spinnenbeine sehr genau untersucht – mit extrem energiereicher Röntgenstrahlung.

Das Grundprinzip war schon lange bekannt: Spinnen haben am unteren Ende jedes Beins bis zu 1000 winzige, aus Proteinen und Chitin bestehende Härchen. Diese „Setae“ sind für die Haftung an der Oberfläche zuständig. Während Insekten ein Sekret absondern, mithilfe dessen sie besser an der Decke herumspazieren können, kommen die meisten Spinnen ganz ohne solche Hilfsmittel aus. Die vielen kleinen Härchen führen zu einer in der Summe sehr großen Kontaktoberfläche. Auch die dadurch entstehenden Adhäsionskräfte summieren sich, sodass sie bei den meisten Arten ausreichen, um das geringe Gewicht der Achtbeiner an der Wand zu halten.

Damit das überhaupt funktioniert, müssen die Härchen aber sehr stabil sein. Warum sie das sind, war bisher unklar. Jedenfalls wirken beim Laufen und Klettern ziemlich starke Kräfte auf sie ein. Denen seien künstlich hergestellte Materialien häufig nicht gewachsen, erklärt Stanislav Gorb, einer der Autoren der im „Interface“ der „Royal Society“ publizierten Studie. Um der Stabilität der Spinnenbeine auf den Grund zu gehen, nutzten die Forscher die Methode der ortsaufgelösten Röntgenstrahlung. Dabei wird ein Material – in diesem Fall also präparierte Spinnenbeine der mittelamerikanischen Art Cupiennius salei – hochenergetischer Röntgenstrahlung ausgesetzt und anschließend gemessen, wie sehr und wohin die Strahlung abgelenkt wurde. Aus der Streuung lassen sich nanometergenaue Rückschlüsse auf die Struktur des Materials ziehen. So konnten die Forscher sehen, dass die Chitin-Moleküle in manchen Bereichen der Härchen eine recht ungeordnete Struktur haben, „ähnlich wie bei Sperrholz.“ Das führt dazu, dass der Schaft der Setae in verschiedene Richtungen biegbar ist.

Biomechanisches Grundprinzip?

An den platt zulaufenden Enden der Hafthärchen gibt es hingegen parallele Strukturen, was zu einer Verstärkung führt. Denn die Moleküle sind mit Hilfe dieser Natur-Nanotechnologie so ausgerichtet, dass sie den Zug- und Druckkräften folgen, die beim Laufen auf sie wirken. Spinnen benutzen ihre acht Beine dabei dann aber in ganz verschiedenen Mustern. Am häufigsten ist die Abfolge R4, L3, R2, L1, dann L4, R3, L2, R1, wobei R für rechts und L für links steht, und die Beinchen von vorne nach hinten der Reihe nach durchnummeriert werden.

Spinnen sind nicht die einzigen Tiere, die sich erstaunlich gut an Wänden und Decken bewegen können. Ähnliche Hafthaare finden sich auch bei Geckos. Das deutet, so die Forscher, auf ein „zentrales biologisches Prinzip“ hin. Das genauere Verständnis der Molekülstruktur von Spinnenbeinhärchen ist so nicht nur wissenschaftliche Spielerei, sondern könnte auch wegweisend für die Entwicklung neuer Materialien sein, spezieller Kleber etwa. Derlei in der korrekten Struktur nach Naturvorbild herzustellen, ist derzeit noch kaum möglich. Zukünftige Technologien wie etwa 3D-Druck im Nano-Bereich könnten da allerdings Abhilfe schaffen, sagt Gorb.

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