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Sollte man auf Knecht Ruprecht verzichten?

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Eine Grünen-Politikerin hält die Rolle des Nikolaus-Begleiters für nicht mehr zeitgemäß und will ihm an die Rute. Wissenschaftler sehen dafür keinen Bedarf.

Gegensätzliches Duo. Die Figuren des heiligen Nikolaus und Knecht Ruprecht stammen aus dem Mittelalter.

Manchmal liegen Freude und Angst ganz nah beieinander. An dunklen Dezemberabenden ist das in Deutschland mancherorts zu beobachten. Da kommt dann der gutherzige, alte Mann mit dem weißen Bart, dem roten Mantel und einem Sack voller Geschenke in die Stube. Ein gern gesehener Gast. Doch begleitet wird er von einem fiesen, verschwiegenen Mann in Kutte, der mit seiner Rute bedrohlich wirkt. Knecht Ruprecht heißt der Mann, der von Generationen von Kindern, vor allem in katholischen Gegenden, gefürchtet wird – und dem nun das Handwerk gelegt werden soll.

Das fordert Josefine Paul, Grünen-Politikerin im nordrhein-westfälischen Landtag. „Knecht Ruprecht ist nicht mehr zeitgemäß. Kindern sollte man grundsätzlich nie drohen“, sagte sie der „Rheinischen Post“ und hatte auch direkt eine mögliche Nachnutzung im Kopf. „Vielleicht kann Knecht Ruprecht auch besser beim Tragen der Süßigkeiten helfen, anstatt mit der Rute zu drohen.“ Knecht Ruprecht, der Süßigkeiten-Schlepper?

Josefine Paul will Knecht Ruprecht umfunktionieren.

“Das Problem sind die Eltern”

„Knecht Ruprecht ist nicht das Problem“, sagt Gerlind Große von der Fachhochschule Potsdam, wo sie zur frühkindlichen Entwicklung forscht. Sie vergleicht den Nikolaus-Helfer mit den Figuren aus den Märchen der Gebrüder Grimm. „Diese Märchen sind teilweise sehr gruselig und gewalttätig, werden von Kindern aber nicht so wahrgenommen“, sagt sie und verweist auf wissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema.

Trotzdem könnten schlechte Erfahrungen durch Mythen und Märchen für die frühkindliche Entwicklung prägend sein. „Problematisch wird es, wenn Eltern ein Schreckensszenario aus pädagogischen Gründen aufbauen“, sagt Große. Wenn man Kindern mit bösen Wölfen, Göttern oder Hexen drohe, würde deren Urvertrauen in die Welt erschüttert, sagt die Wissenschaftlerin. „Außerdem verletzt es die Rechte des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung.“ Solange den Kindern durch Knecht Ruprecht aber keine Gewalt angedroht werde oder sie gegen ihren Willen gezwungen werden, beispielsweise ein Gedicht vor ihm vorzutragen, sei die Rolle nicht bedenklich, findet Große.

Ein Nikolaus aus Münster mag den Knecht nicht

Einer, der jahrelang mit Knecht Ruprecht unterwegs war, ist Winfried Keuthage. Der Arzt aus Münster spielt seit über 30 Jahren in der Adventszeit den Nikolaus, bereits als Student hat er damit begonnen. Inzwischen vermittelt er Auftritte bundesweit zur Weihnachtszeit ehrenamtlich über sein Portal Nikolauszentrale. Die Rolle von Knecht Ruprecht sieht aber auch er kritisch. „Als Nikolaus und Knecht Ruprecht früher zu uns kamen, war mein Bruder so traumatisiert, dass er wochenlang nicht mehr schlafen konnte“, erinnert sich Keuthage. Auch deshalb ist ihm der grimmige Begleiter zu viel. „Wir brauchen Knecht Ruprecht eigentlich nicht“, sagt er. Erst in dieser Woche sei er wieder in der Kita seiner vierjährigen Tochter aufgetreten. Allein als Nikolaus – ohne bedrohliche Begleitung. Trotzdem seien alle Kinder fasziniert und respektvoll geblieben, sogar seine Tochter. Seine Erfahrung: „Der Nikolaus verängstigt und beglückt die Menschen zugleich.“

Wenn bei Buchungen die Rolle des Gehilfens von Familien verlangt wird, bietet er jetzt auch immer häufiger einen Engel als Begleitung an. Von Verboten hält er jedoch nichts. „Wo es Tradition hat, sehe ich keinen Grund, damit zu brechen“, sagt Keuthage. In Münster, wo sich die Bevölkerung relativ gleichmäßig in Katholiken und Protestanten teilt, beobachtet er aber schon seit Jahren schwindendes Interesse an dem Mann mit der Rute. „Seit fünf Jahren hatte ich keinen Auftritt mehr mit Knecht Ruprecht.“ Über seine Vermittlungsseite werde der in manchen Gegenden aber noch regelmäßig angefragt. Ein guter Knecht Ruprecht ist für Keuthage dann aber keiner, der Drohungen ausspricht und Gewalt andeutet. „Ideal ist, wenn er gar nichts sagt.“

Der Berliner Psychologe Peter Walschburger sieht die Figur weniger kritisch. Nach seiner Ansicht könne man den Ruprecht durchaus nutzen, um Kinder daran zu erinnern, dass sie sich an gewisse Regeln halten müssen. „Das sollte aber in gütiger, zurückhaltender Weise geschehen, nicht als Drohung“, sagt der Psychologe. Entscheidend sei die Art und Weise der Vermittlung: „In einer vertrauensvollen Atmosphäre, in der die Kinder sich sicher fühlen, wissen sie, dass ihnen nichts Böses geschieht.“ mit dpa

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