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Schiebt Rheinland-Pfalz zu viele Flüchtlinge ab?

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Rekordzahlen bei Abschiebungen: Flüchtlingsorganisationen fordern die Rückkehr zu einer humanitären Politik. Die Tagespolitik schwimme auf einer Welle der Stimmungsmache mit.

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MAINZ – Durchsuchungen in Kirchen, Ermittlungen gegen Pfarrer, Razzien in Erstaufnahmeeinrichtungen. Versuchte Abschiebungen von Schwangeren aus Kliniken, mögliche Kürzungen von Geld von „Dublin-Flüchtlingen“. Es hat sich etwas verschoben in der Gesellschaft und bei den Parteien, sagen diejenigen in Rheinland-Pfalz, die sich um Flüchtlingsschicksale kümmern: Der Arbeitskreis Asyl, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege sowie der Initiativausschuss für Migrationspolitik.

Die drei Organisationen haben eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, in der sie der Mainzer Landesregierung eine zu inhumane Abschiebepolitik vorwerfen. Und unverhältnismäßige Maßnahmen. Beispiel Afghanistan: Früher habe das Land ausschließlich „Gefährder“ und verurteilte Straftäter an den Hindukusch abgeschoben. Nun sei im Oktober 2018 erstmals ein bislang nicht verurteilter Afghane abgeschoben worden.

Das ist insofern delikat, als Abschiebungen von der grünen Integrationsministerin Anne Spiegel verantwortet werden – jener Ministerin, der gerade von AfD, auch von CDUstets vorgeworfen worden war, zu wenig abzuschieben. Oder zumindest sich zu sehr in einzelne Asylfälle einzumischen. Doch nun befindet sich Rheinland-Pfalz im Rekordhoch bei Abschiebungen. 1456 Personen wurden 2018 abgeschoben; damit ist Rheinland-Pfalz eines von drei Bundesländern, das seit 2015 steigende Zahlen diesbezüglich zu vermelden hat. „Rheinland-Pfalz beginnt sich zu rühmen, dass man sehr hohe Rückkehrquoten hat“, betont Albrecht Bähr, Pfarrer und Mitglied im Vorstand der Wohlfahrts-Liga. Derzeit gebe es eine regelrechte Welle der Stimmungsmache, auf der auch die Tagespolitik mitschwimme. Bähr fordert die Politik auf:Nicht mehr dem Populismus das Wort reden, sondern dem „Geiste des Grundgesetzes“. Die Würde des Menschen sei unantastbar. Und dass die „Menschenwürde nicht migrationspolitisch zu relativieren sei“, habe schon vor sieben Jahren das Bundesverfassungsgericht erklärt. Pierrette Onangolo vom Arbeitskreis Asyl ergänzt: „Menschen flüchten um ihr Leben zu retten, nicht wegen Sozialleistungen.“

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Der Chef des Bundesamtes für Migration Eckhard Sommer, hatte unlängst in einem Interview mit der „Welt“ die Flüchtlingsräte scharf kritisiert. „Es ist ganz offensichtlich, dass einige Organisationen das Interesse verfolgen, Abschiebungen generell zu bekämpfen – ich denke vor allem an selbst ernannte Flüchtlingsräte“, so Sommer. Die Räte seien der Meinung, dass sich jeder das Land seines Aufenthalts selbst aussuchen dürfe. „Wer mit dieser Überzeugung unterwegs ist, versucht dann auch oft, den Staat bei Abschiebungen zu behindern. Dass dieses Vorgehen mit Mitteln des Strafrechts geahndet werden soll, ist absolut richtig. So etwas darf der Staat nicht hinnehmen.“

Der rheinland-pfälzische Flüchtlingsrat, der Arbeitskreis Asyl, macht überhaupt keinen Hehl daraus, dass er Abschiebetermine bekannt gibt. Das habe man schon immer so gemacht, betont Onangolo, und das werde man auch beibehalten. Die drei Unterzeichner der Resolution sagen auf Nachfrage, dass sie nicht generell gegen Abschiebungen sind. Aber sie sind für ein Abwägen mit humanitären Aspekten, für die Verhältnismäßigkeit der Mittel. So sei im Dezember die komplette Flüchtlings-Erstaufnahme in Ingelheim per richterlichen Beschluss durchsucht worden, bericht Roland Graßhoff, Geschäftsführer des Initiativausschusses für Migrationspolitik. Im Januar habe es, ebenfalls in Ingelheim, einen Durchsuchungsbeschluss gezielt für Räume, in der sich Somalier aufhalten, gegeben. Das sei diskriminierend. Und wenn Kirchen oder Wohnungen von Mitgliedern der Härtefallkommission durchsucht würden, dann diene das der „Einschüchterung und Kriminalisierung“ der Betroffenen.

Die AfD widersprach den Flüchtlingshelfern. „In der gegenwärtigen Asylpraxis werden humanitäre Aspekte eher überbewertet als vernachlässigt. Das verdeutlichen auch die unzähligen Möglichkeiten, trotz abgelehntem Asylantrag doch noch eine Aufenthaltsgestattung erhalten zu können. Der Rechtsstaat muss aber genauso umgekehrt auf die Einhaltung seiner Regeln achten und die ohnehin schon wenigen tatsächlich ausreisepflichtigen Personen selbstverständlich konsequent zurückführen“, so der migrationspolitische Sprecher Matthias Joa. „Dass interne Informationen, etwa Abschiebedaten, durch sogenannte „Flüchtlingsräte“ veröffentlicht werden, läuft dem Rechtsstaatsgedanken zuwider und behindert die Behördenarbeit.“

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