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Ost-Regierungschefs prangern ungleiche Lebensverhältnisse an

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Wenn sich die Ost-Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin treffen, geht es vor allem ums Geld. Von der Rente bis zum schnellen Internet – aus ihrer Sicht hapert es an vielen Ecken. Doch bringt die Runde in Thüringen die erhofften handfeste Ergebnisse?

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Neudietendorf (dpa) – Nach Ansicht des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow sind die ostdeutschen Länder auch fast 30 Jahre nach dem Mauerfall immer noch benachteiligt.

«Es gibt noch erhebliche Unterschiede zwischen Ost und West», sagte der Linken-Politiker vor einem Treffen der Ost-Regierungschefs mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im thüringischen Neudietendorf. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wies auf andauernde Untergleichgewichte zwischen Ost und West hin – etwa bei der Wirtschaftskraft und den Löhnen.

Themen des Spitzentreffens in Thüringen sind unter anderem die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West, die Angleichung der Renten von DDR-Bürgern sowie die Kosten für die Sanierung ökologischer Altlasten. Ramelow führt derzeit den Vorsitz der Ost-Ministerpräsidentenkonferenz.

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) will bei dem Treffen auch auf eine deutlich bessere Mobilfunkversorgung in Ostdeutschland mit dem neuen Standard 5G dringen. «Salopp gesagt muss 5G an jede Milchkanne», sagte Woidke der Deutschen Presse-Agentur. «Die geplante Versorgung von 98 Prozent der Haushalte mit schnellem Internet bis Ende 2022 ist das Mindeste, um eine akzeptable Flächenabdeckung zu kriegen.» Das seien am Ende nur etwa 75 Prozent der Fläche. «Gerade die ländlichen Räume dürfen nicht abgehängt werden.» Woidke spielte damit auf eine Bemerkung von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) an, die gesagt hatte, der Mobilfunkstandard 5G sei «nicht an jeder Milchkanne notwendig».

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte zudem eine Rechtsgrundlage, damit die vom Kohleausstieg betroffenen Ost-Länder das vom Bund zugesagte Geld schnell und zielgenau einsetzen könnten. «Wir wollen eine Sonderwirtschaftszone in Mitteldeutschland und der Lausitz, die uns in die Lage versetzt, in 20 Jahren eine starke innovative Wirtschaftsstruktur aufzubauen.»

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte vor einem massiven Einbruch der EU-Mittel für die Regionen Ostdeutschlands. Der Blick auf die im Jahr 2021 startende Förderperiode sei besorgniserregend, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Im schlimmsten Fall drohen Kürzungen von bis zu 60 Prozent.» Vor diesem Hintergrund bestehe Gesprächsbedarf. Ein Grund für den befürchteten Einbruch der Fördermittel aus Brüssel ist der geplante Austritt Großbritanniens. Danach gibt es nach jetzigen Plänen weniger Haushaltsmittel zu verteilen.

Der wirtschaftliche Aufholprozess in den ostdeutschen Bundesländern ist nach Einschätzung des stellvertretenden FDP-Fraktionschefs im Bundestag, Frank Sitta, weitgehend zum Erliegen gekommen. Sein Bundesland Sachsen-Anhalt falle sogar seit Jahren zurück, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Sitta, der auch FDP-Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt ist, sagte, weiteres Wirtschaftswachstum lasse sich nicht offenbar nicht einfach «herbeifördern». Nach seinen Vorstellungen sollte es «Freiheitszonen» mit weniger bürokratischen Hürden und geringerer Steuerlast geben, damit Firmen etwas ausprobieren könnten.

Ramelow wies auf Ungerechtigkeiten bei den Renten hin. Einerseits verursachten die früher gewährten DDR-Zusatz- und Sonderrenten den neuen Bundesländern heute hohe Kosten. Zum anderen bezögen Frauen, die sich in der DDR haben scheiden lassen, oft geringe Renten, weil es für sie keinen Versorgungsausgleich gibt. Beide Themen sollen in Neudietendorf bei Erfurt besprochen werden.

Ramelow hatte zuvor eine stärkere Beteiligung des Bundes bei den Kosten für die Sonder- und Zusatzrenten gefordert. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) forderte sogar, dass der Bund die Kosten mittelfristig ganz übernehmen soll. «Wir haben eine Lastenverteilung bei den Zusatzversorgungssystemen aus DDR-Zeiten von 60 Prozent ostdeutscher Länder und 40 Prozent Bund», sagte Woidke. «Das bedeutet für uns ostdeutsche Länder eine Milliardenbelastung – auch vor dem Hintergrund der Schuldenbremsen», sagte Woidke.

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Ost-Länder, Christian Hirte (CDU) würde an diesem Punkt einer Rehabilitierung von SED-Opfern den Vorzug geben – wenn nicht beides möglich ist. Beide Vorhaben seien im Koalitionsvertrag festgeschrieben, jedoch noch nicht finanziell unterlegt. «Mir erscheint der Einsatz für die Opfer des SED-Regimes dringender angezeigt, als für noch größere Überschüsse der Landeshaushalte», sagte Hirte.

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