Wirtschaft

Kampfansage an Kanadas Cannabis-Konzerne

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Seit zwei Jahren ist Gras in Deutschland als Medizin anerkannt. Doch weil der Anbau stockt, wird der Stoff importiert – vor allem aus Kanada. Ein Start-up fordert nun die Cannabis-Riesen aus Kanada heraus.

Wenn an diesem Sonntag Europas größte Cannabis-Investoren-Konferenz in Berlin beginnt, wird das wichtigste Thema der Anbau in Deutschland sein, sagt Georg Wurth, Chef des deutschen Hanfverbands. Dass es hierzulande noch immer keine Produktion gebe, sei “ziemlich armselig”, so Wurth, der die Lobbyorganisation 2002 gegründet hat.

Wann kommt der staatliche Anbau?

Bereits seit zwei Jahren will der deutsche Staat Cannabis für medizinische Zwecke anbauen. Doch bei der Auswahl der Züchter gibt es Probleme. So musste ein Vergabeverfahren zum Anbau von Cannabis wegen Formfehlern neu aufgerollt werden. Nun soll laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bis Mitte des Jahres feststehen, welche Unternehmen im Auftrag des Staates zu Grasproduzenten werden.

Für Niklas Kouparanis ist das unrealistisch. “Ich sehe innerhalb der nächsten zwei Jahre keinen Fortschritt”, kommentiert der Unternehmer aus Frankfurt das Vergabeverfahren. Mit Hilfe von Investoren hat er das Frankfurter Start-up Farmako gegründet.

Hightech im Gewächshaus – Kanada ist beim Export momentan führend

Laut Kouparanis will Farmako sich auf die Cannabis-Forschung konzentrieren. Die Finanzierung dafür soll aber vor allem aus dem Import und dem Verkauf von Blüten kommen. “Wir wollen Europa beim Anbau unabhängiger machen”, sagt er.

Medizinisches Gras aus Nord-Mazedonien

Farmako will im großen Maßstab Medizinalgras in Nord-Mazedonien produzieren und über Polen nach Deutschland und in andere europäische Länder importieren. Das Vorhaben ist vor allem eine Kampfansage an Kanadas Graskonzerne. Denn seit in Deutschland medizinisches Cannabis auf Rezept erhältlich ist, mischen Kanadier den deutschen Markt auf. So haben etliche mittlerweile milliardenschwere Graskonzerne aus Kanada deutsche Start-ups aufgekauft. 

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Weil es noch keinen staatlichen Anbau in Deutschland gibt, wird das Cannabis importiert. Hier waren die Kanadier lange vorne mit dabei. “Bei der flächendeckenden Versorgung in Europa und dem größten Markt Deutschland haben die Kanadier allerdings versagt”, sagt Kouparanis. Auch Georg Wurth vom Hanfverband berichtet über Engpässe. “Gerade aus Kanada kommt im Moment fast gar nichts – die sind mit ihrem Heimatmarkt beschäftigt”, sagt Wurth. Seit Mitte vergangenen Jahres ist in Kanada auch der Freizeitkonsum legalisiert und die Nachfrage ist groß. 

Die große Zukunftswette

Für Deutschland und Europa sieht Kouparanis viel Potenzial. “Wir sind ganz am Anfang”, ist sich der Unternehmer sicher. Laut dem industrienahen Forschungsinstitut “Prohibition Partners” könnte der Markt für medizinisches Cannabis in Deutschland im Jahr 2028 rund 7,7 Milliarden betragen – für ganz Europa liegt das mögliche Marktvolumen demnach bei 58 Milliarden.

Große Party und große Gewinne – Kanada feiert die Legalisierung des Freizeitkonsums

Die Umsätze mit Cannabis-haltigen Produkten bei den gesetzlichen Krankenkassen betrugen laut dem Spitzenverband der Krankenkassen im vergangenen Jahr etwas über 70 Millionen Euro. Zum Vergleich: In Deutschland nahmen Unternehmen mit Schmerzmitteln im Jahr 2017 rund 600 Millionen Euro ein. Entwickelt sich der deutsche Markt allerdings wie in anderen Ländern, dann ist tatsächlich noch viel Luft nach oben. In Kanada ist der medizinische Gebrauch von Cannabis seit 2001 legal, in Israel sogar seit 1995. Der medizinische Konsum hat sich Experten zufolge bei circa einem Prozent der Bevölkerung eingependelt – das wären in Deutschland rund 800.000 Patienten. 

Patientenzahlen werden in Deutschland nicht zentral erhoben. Die Schätzungen für 2018 bewegen sich zwischen 30.000 und 70.000 Cannabispatienten.

Wann purzeln die Preise?

Wegen des Potenzials will Kouparanis mit Farmako rund 50 Tonnen Cannabis in den kommenden vier Jahren auf den Markt bringen. Gemessen an den tatsächlich registrierten Importen durch das BfArM wirken die 50 Tonnen allerdings eher wie ein Marketinggag. So landeten 2018 in den deutschen Apotheken nur 3,13 Tonnen Cannabis-Blüten. Auch die staatliche Ausschreibung des BfArM sieht nur eine Produktionsmenge von insgesamt etwas über zehn Tonnen über vier Jahre vor.

Für Patienten, bei denen nicht die Krankenkasse für die Cannabis-Therapie aufkommt, könnte der Vorstoß von Farmako allerdings positive Nebeneffekte haben. Aktuell kostet ein Gramm Cannabis in der Apotheke bis zu 26 Euro. “Wir können bis auf 16 Euro runtergehen”, verspricht Kouparanis.

Cannabis “Made in Europe”

Wie erfolgreich Farmako mit seiner Import-Strategie sein wird, hängt wohl auch mit dem Start des staatlich kontrollieren Anbaus in Deutschland zusammen. Der Lobbyist Georg Wurth ist optimistisch, dass innerhalb der kommenden Monate tatsächlich die ersten Cannabisbauern in Deutschland mit der Zucht beginnen können. “Wäre das schneller gegangen, dann hätte Deutschland zum entscheidenden Standort werden können”, so Wurth. Nun seien aber bereits andere Länder wie Portugal, Griechenland, Mazedonien vorgeprescht und hätten Anbauflächen hochgezogen. 

Kouparanis sieht in Deutschland wegen der Arbeitskosten generell kein geeignetes Produktionsland und hat sich deshalb nach eigenen Aussagen erst gar nicht am Ausschreibungsverfahren beteiligt, weil es “wirtschaftlich keinen Sinn macht.”

Cannabis-Importe soll es laut BfArM aber auch nach der Ausschreibung noch geben. Da das Bundesinstitut den zukünftigen Cannabisbauern die Abnahme der ausgeschriebenen Produktion garantiert, hat sich das BfArM wohl am unteren Verbrauchslevel orientiert. Der Rest wird dann durch Importe abgedeckt – dass Farmako seine angepeilten 50 Tonnen dann tatsächlich in Deutschland verkaufen wird, ist aber dennoch eher unwahrscheinlich.

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