Wirtschaft

Japan: Ghosn bleibt in Haft

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Carlos Ghosn, bis vor kurzem Chef von Renault und Nissan, kommt nicht frei. Japans Justiz erhebt plötzlich neue Vorwürfe gegen den Manager und verlängert die Untersuchungshaft.

Dass japanische Staatsanwälte als besonders hartnäckig gelten, wird gern kolportiert. Im Falle von Carlos Ghosn trifft die Annahme wohl zu. Eigentlich sollte der Mann mit den drei Nationalitäten (libanesisch, französisch, brasilianisch) nach mehrwöchiger Untersuchungshaft in den Tagen vor Weihnachten freikommen, weil ein Gericht den Antrag auf Haftverlängerung ablehnte.

Doch daraus wird nichts: Die Staatsanwaltschaft in Tokio erhob am Freitag neue Vorwürfe gegen den prominenten Automanager und erließ zum nunmehr dritten Mal Haftbefehl, wie japanische Medien berichteten. Dadurch wird die Untersuchungshaft um wenigstens zehn Tage verlängert.

Auch die Nachrichtenagentur Bloomberg schrieb am Freitag unter Berufung auf eine Erklärung der Staatsanwaltschaft von einem neuen Haftbefehl – wegen des Verdachts auf verstärkten Vertrauensbruch. Nach den Medienangaben soll Ghosn persönliche Schulden in Höhe von knapp 17 Millionen Dollar bei  Nissan abgeladen haben, dem Konzern, den er einst vor der Pleite gerettet hatte. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft wollte sich auf Anfrage zunächst nicht dazu äußern. Auch von Motonari Otsuru, dem Anwalt des Managers, gab es zunächst keine Stellungnahme.

Einkommen nicht angeben?

Ghosn war am 19. November festgenommen worden, weil zwischen 2011 und 2015 nur die Hälfte seines Einkommens deklariert worden sein soll. Die Untersuchungshaft wurde daraufhin zunächst bis Donnerstag dieser Woche verlängert. Die Staatsanwaltschaft hatte nämlich zwischenzeitlich neue Vorwürfe erhoben, denen zufolge auch in weiteren Jahren Ghosns Einkommen zu niedrig angegeben worden sei. Es soll insgesamt um umgerechnet gut 70 Millionen Euro gehen.

Anklage wurde bisher aber nur wegen angeblich falsch deklarierter Einkünfte in Höhe von 39 Millionen Euro erhoben. Bei einer Verurteilung wegen dieser ursprünglichen Vorwürfe drohen dem Manager bis zu zehn Jahre Haft.

In Japan ein sehr bekannter Manager – der Fall Ghosn in der Presse

Beobachter zeigten sich erstaunt über das Vorgehen der Justiz im Falle des in Japan sehr bekannten Managers. Japans Justizminister Takashi Yamashita verwahrte sich am Freitag laut japanischen Medien gegen Kritik über das Vorgehen der Strafverfolger in dem Fall.

Anwälte und Botschaftsmitarbeiter dürfen Ghosn und seinen mitangeklagten früheren Manager Greg Kelly in der Haft besuchen. Während der Verhöre dürfen die Anwälte aber nicht anwesend sein, so ist es in Japan Standard.

Auch, dass die Untersuchungshaft durch neue Vorwürfe verlängert wird, damit die Staatsanwaltschaft ihren Fall vorantreiben kann, ist für Japans Justizwesen Experten zufolge ein durchaus typisches Vorgehen. Einen Prozesstermin im Fall von Ghosn gibt es noch nicht. Am Freitag wurde dem Sender TV Asahi zufolge auch die Wohnung Ghosns in Tokio durchsucht.

Bevor die neuen Vorwürfe erhoben wurden, berichtete der japanische Rundfunksender NHK unter Verweis auf Ghosns Anwalt, dass der Manager seinen guten Namen vor Gericht verteidigen und nach seiner Freilassung eine Pressekonferenz abhalten wolle. Die Lage der Dinge sei “absolut inakzeptabel”, habe Ghosn demnach gesagt. “Ich will, dass meine Position gehört wird, und ich will meine Ehre vor Gericht wiederherstellen.”

Seit Ghosn festgenommen wurde, wankt die Auto-Allianz von Renault, Nissan und Mitsubishi. Der Manager war jahrelang die treibende Kraft hinter dem Bündnis. Wegen des Skandals wurde Ghosn bei Nissan und Mitsubishi seiner Ämter enthoben. Der französische Bündnispartner Renault, der 43,4 Prozent an Nissan hält, hatte hingegen kürzlich beschlossen, Ghosn in seinen Ämtern als Vorstands- und Verwaltungsratschef zu belassen. Man habe bislang kein Fehlverhalten feststellen können.

“Rebellion bei Nissan”

Nissan erklärte, Renault umfassend über Ghosns Fall informieren zu wollen. Das sehen Beobachter allerdings bisher nicht so. Viele Fragen blieben offen, heißt es in Tokio. Die Wirtschaftseitung “Financial Times” verweist auf ungenannte Analysten, die mutmaßen, es habe  eine “Rebellion innerhalb von Nissan gegen Renault” gegeben.

Nissan-Hauptquartier in Tokio

Die Japaner halten 15 Prozent an Renault, haben aber keine Stimmrechte. In Japan gibt es Spekulationen, wonach die Japaner hoffen, den Einfluss des vom Staat gestützten französischen Partners auf das eigene Management zu reduzieren und die Allianz ausgewogener zu gestalten. Renault dagegen wolle seinen Einfluss auf Nissan behalten.

Wie die französische Tageszeitung “Le Figaro” berichtete, kamen Renaults Interim-Chef Thierry Bolloré und sein Nissan-Kollege Hiroto Saikawa am Mittwoch mehrfach zusammen. Bei dem Treffen sei nach Darstellung von Renault-Verantwortlichen insgesamt deutlich geworden, dass es bei Nissan nicht denselben Eindruck der Dringlichkeit in der Sache gebe, schrieb das Blatt.

So fordert Großaktionär Renault angesichts der Krise schon seit längerem, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Den Termin gibt es noch immer nicht – obwohl die Krise seit Mitte November schwelt.

ar/bea (dpa, afp, rtr)

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