Wirtschaft

Fortbildung? Nebenbei! Kleine Unternehmen und Industrie 4.0

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Industrie 4.0 – die Digitalisierung in Unternehmen funkioniert nur, wenn auch die Mitarbeiter mitgenommen werden. Für kleinere Unternehmen oft eine große Hürde, denn Fortbildungen müssen nebenbei erledigt werden.

“In einem produzierenden Betrieb wie unserem läuft es auch so ordentlich, aber durch die Digitalisierung lassen sich noch bis zu 40 Prozent mehr Effizienz herausholen”, glaubt Thomas Besse. Beispielsweise beim Thema Medienbrüche. Wenn ein Auftrag online im Unternehmen ankommt, ist er zwar digital vorhanden, muss aber für die Unterschrift ausgedruckt und dann wieder neu eingescannt werden.

Zum einen müssen solche Brüche erkannt werden, zum anderen muss auch überlegt werden, “wo einzelne Abteilungen sinnhafter miteinander arbeiten könnten”, so Besse. Er leitet die IT-Abteilung von Klein Umformtechnik in Netphen. Das Familienunternehmen mit rund 300 Mitarbeitern fertigt Metallkonstruktionen für Autositze, Bremsteile für Anhänger oder Lamellen für Campingheizungen. Um die Digitalisierung besser vorantreiben zu können, ließ sich der Informatiker im letzten Jahr zum “Digital Scout” weiterbilden, im Mittelstand 4.0.-Kompetenzzentrum Siegen.

Fortbildung 4.0 quer durch alle Branchen

Dort besuchte er die Workshop-Reihe für Mitarbeiter von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Das Kompetenzzentrum ist ein Zusammenschluss der Universität Siegen, der FH Südwestfalen, der Ruhr-Universität Bochum und des Fraunhofer Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT). Es gehört zur Initiative Mittelstand-Digital des Bundeswirtschaftsministeriums und arbeitet mit KMU in Südwestfalen, unterstützt sie mit Expertenwissen, Netzwerkkontakten und Demonstrationszentren für die neuesten Technologien. Die Angebote sind kostenlos.

Thomas Besse, Digital Scout und Leiter der IT-Abteilung der Klein Umformtechnik in Netphen

In der Weiterbildungsrunde finden sich Vertreter verschiedener Branchen und Unternehmensgrößen: Da sitzt ein Apotheker neben einem Handwerker oder eben neben einem Manager eines Autozulieferers. In sechs Monaten trafen sich die künftigen Digital Scouts nach Feierabend zu fünf Workshops – mit Impulsvortrag und Arbeit in Kleingruppen.

Dabei wurden die meisten Themen nicht von den Wissenschaftlern vorgegeben, sondern gemeinsam festgelegt. So konnte das bearbeitet werden, was den Teilnehmern am meisten unter den Nägeln brannte. Zudem profitierten die Forscher davon, die Bedürfnisse der KMU aus erster Hand zu erfahren.

Bei der Firma Klein Umformtechnik in Netphen prüft eine Kamera geschweißte Stellen. Kein Mensch kann stundenlang konzentriert die gleichen Teile prüfen.

Schichtplanung per App

“Man kann auch von den Kleinsten lernen”, glaubt Besse. Er hatte beispielsweise während des Lehrgangs die Idee, die Schichtplanung zu digitalisieren. Wer wegen Arztterminen oder Kinderbetreuung ausfällt, musste sich bisher beim Vorarbeiter melden. Der organisierte dann den Tausch der Schichten.

Künftig soll das System selber alle passenden Maschinenbediener informieren. So kann man selbst kurzfristig die Schicht tauschen. “Wieviele Mitarbeiter in welcher Schicht da sein müssen, lässt sich gut über ein Algorithmus abbilden”, sagt Besse. “Entscheidend ist nicht, wer da ist, sondern dass die Qualifikation stimmt”. Wenn Not am Mann ist, ließe sich über die App zudem auf einen Pool von Rentnern oder Studierenden zurückgreifen, ohne eine Zeitarbeitsfirma zwischenzuschalten.

Solche Ideen tauschen die Scouts auch weiterhin, nach dem Abschluss der Weiterbildung untereinander aus. Über eine Internetplattform können sie in Kontakt bleiben und gemeinsame Unternehmungen planen. Etwa einen Besuch in der Lernfabrik der Uni Bochum oder im FabLab der Uni Siegen, um dort verschiedene 3D-Drucker, Datenbrillen und eine CNC-Fräse zu testen.

“Wir können nicht innerhalb weniger Stunden die Digitalisierung in die Unternehmen liefern”, sagt Marc Gerbracht, der im Kompetenzzentrum für die Digital Scouts zuständig ist: “Wir können die Augen öffnen, das Werkzeug zeigen und danach stehen wir auch mit Rat und Tat zur Seite”.

Im FabLab der Universität Siegen kann ein 3D Drucker bei der Arbeit inspiziert werden

Fortbildung vom Maschinenbauer Trumpf

“Die Maschinen werden immer vernetzter und so müssen aus den Maschinenbedienern Prozessmanager werden”, ist Gerd Duffke überzeugt. Der ehemalige Gesamtbetriebsratsvorsitzende ist beim Maschinenbauer Trumpf in der Personalentwicklung für Sonderprojekte zuständig. Weil Trumpf zahlreiche KMU als Kunden habe und diese keine großen Kapazitäten für Personalentwicklung hätten, initiierte er den Lehrgang “F4DIA”, um “Multiplikatoren für die digitalisierte Arbeitswelt” weiterzubilden.

Die Teilnehmenden setzen sich aus Trumpf-Mitarbeitern und Mitarbeitern der Kunden zusammen. “Als Multiplikatoren sollen sie mit der Brille des Personalentwicklers durch den Betrieb gehen und erkunden, wie sich die Prozesse und Aufgaben an den Arbeitsplätzen ändern”, so Duffke. Wichtig sei, dass sie selbst etwa aus dem Vertrieb oder der Produktion kommen, denn dann erlebten sie den Wandel hautnah mit.

Wie der Wandel aussehen kann? “Ein Servicetechniker kann dank Digitalisierung ungefähr ein Fünftel der Arbeit von zuhause aus erledigen”, meint Duffke. Service- und Reparaturanweisungen in Echtzeit dank Datenbrille und Headset können teure und zeitaufwändige Dienstreisen ersetzen.

Der Lehrgang wurde mit mehreren Partnern konzipiert. Im Abschluss schreiben die Teilnehmer eine kurze Arbeit zu einem Thema aus ihrer Betriebspraxis, die in einen Leitfaden mit einfließt. “Wir haben eine Art Kochbuch mit verschiedenen Lernformaten und Anregungen gemacht”, so Duffke. Methoden wie Hackathon, Barcamp oder Visuelles Storytelling werden kurz vorgestellt. Es ginge etwa darum, wie man lernentwöhnte Kollegen gewinnt und wie die Multiplikatoren im Nachgang um Unterstützung bitten könnten. Die Digitalisierungsvorreiter haben zudem, so Duffke, eine What`s App-Gruppe gebildet und helfen sich gegenseitig.

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