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Emotionale Debatte im Mainzer Landtag zu Organspenden

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Sollten alle Bundesbürger zu möglichen Organspendern erklärt werden, wobei sie noch widersprechen können? Dazu gehen die Meinungen auseinander, wie eine Debatte im Mainzer Landtag zeigte.

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MAINZ – Die Zahlen: 955 Organspender wurden im vergangenen Jahr gezählt. Auf der Warteliste für ein neues Herz, eine Niere oder eine Leber stehen jedoch 10 000 Menschen. Trotz diverser Versuche der Politik geht es bei diesem Thema nicht voran, im Gegenteil, die Zahl der Spender ging in den vergangenen Jahren zurück. Könnte eine sogenannte Widerspruchslösung den Trend umkehren? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte diese vorgeschlagen. Wird diese umgesetzt, gilt jeder Bundesbürger als möglicher Organspender, es sei denn, er hat zu Lebzeiten genau dieses abgelehnt. Derzeit gilt in Deutschland die Regelung, dass nur derjenige Spender ist, der zu Lebzeiten persönlich zugestimmt hat, und zwar schriftlich. Gibt es kein solches Dokument, dürfen die Angehörigen im Sinne des Spenders entscheiden. Es gibt keine einfachen Antworten. Es geht um die Frage, wann der Mensch überhaupt tot ist, es geht um Ethik und Religion, um Menschenwürde, ein selbstbestimmtes Leben und nicht zuletzt auch um die Angehörigen. Und es geht darum, sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen. Im Mainzer Landtag gab es dazu am Mittwoch eine „Orientierungsdebatte“ – 25 Redner aller fünf Parteifarben, ohne Fraktionszwang. Wie steht die Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), Katholikin, langjährige Gesundheitsministerin, dazu? Die Triererin betont: Organspenden müssten immer ein „Akt der freiwilligen Solidarität“ bleiben, eine „bewusste Entscheidung“. Es gehe darum, zu entscheiden, wie man sterben wolle. Gleichzeitig gebe es auch eine Verantwortung gegenüber denjenigen – Stichwort 10 000 – die auf eine Organspende angewiesen seien. „Ich persönlich bin der Auffassung, dass man es von einem Menschen erwarten kann, dass er sich einmal in seinem Leben damit befasst.“ Eine Lösung könne sein, wenn die Bürger regelmäßig verbindlich befragt würden.

Das wäre allerdings nicht die Widerspruchslösung. Auch Andreas Hartenfels (Grüne) lehnt eine solche ab. Denn bei diesen sehr persönlichen Fragen von Leben und Tod habe sich der Staat herauszuhalten. Würden die Pläne aus Berlin umgesetzt, führe dies dazu, dass man sich „ein Stück weit als Ersatzteillager zu begreifen hat“. Schön, dass man wenigstens noch widersprechen dürfe. Ähnlich argumentiert der CDU-Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner. Dass die Zahl der Spender gering sei, sei kein Argument, gutes Recht zu ändern, findet der überzeugte Christ. Wenn man mehr Menschen überzeugen wolle, Todkranken ein Organ zu spenden, „dann lasst sie uns überzeugen“. Helga Lerch (FDP) warnt davor, Organe nur als Ressourcen zu sehen, auf die man frei zugreifen könne. Auch müsse in den Kliniken den Angehörigen ermöglicht werden, in Würde Abschied von dem Verstorbenen zu nehmen. Natürlich gibt es auch andere Stimmen, querbeet durch die Parteifarben. Anna Köbberling (SPD) berichtet sehr emotional von einem Studienfreund, der auf ein neues Herz warte. Mit wenig Hoffnung. Sie sagt, die Entscheidung einer Organspende müsse verlagert werden von den Angehörigen auf den Menschen, zu Lebzeiten. Sie plädiert für eine Lösung, bei der die Menschen nicht nur informiert werden, sondern auch nach ihrer Entscheidung gefragt werden und diese auf dem Personalausweis vermerkt wird. Ihr Parteikollege Sven Teuber spricht sich für die Widerspruchslösung nach niederländischem Vorbild aus: Ab 18 Jahren ist jeder Organspender, er hat aber die Möglichkeit, dann noch zu widerrufen.

„Es ist ein Leben am Abgrund“

Emotional auch der Beitrag von Michael Wäschenbach (CDU), der eine sogenannte doppelte Widerspruchslösung favorisiert – bei der dann auch noch die Angehörigen widerrufen können. Wer auf der Warteliste für ein Organ in Deutschland stehe, habe eine Chance von 20 Prozent, dieses zu erhalten. „Es ist ein Leben am Abgrund“, berichtet der Politiker. Er zitiert aus der Apostelgeschichte: „Geben ist seliger als nehmen.“

ZAHLEN

In Rheinland-Pfalz ist die Zahl der Organspenden im vergangenen Jahr gesunken. 115 Organe wurden für eine Transplantation gespendet, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mitteilte. Das waren 22 weniger als 2017. (Quelle: dpa)

Doch verträgt sich ein solcher Eingriff durch den Staat mit dem Grundgesetz, der Würde des Menschen? Justizminister Herbert Mertin (FDP) hält eine Widerspruchslösung für durchaus vereinbar mit der Verfassung. Paragrafen seien aber nicht alles, so Mertin.

Uwe Junge (AfD), der in Afghanistan im Einsatz war, hat einen Organspendeausweis. Entgegen der offiziellen Parteilinie teilt er die Hoffnungen, die mit einer Widerspruchslösung verbunden seien. Aber zunächst müssten andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

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