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Der Ursache von Darmkrebs auf der Spur

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Darmkrebs ist dort, wo viel Rindfleisch gegessen wird, häufiger. Auf der Suche nach der Ursache, sind Forscher auf kreisrunde Erbgutmoleküle gestoßen.

Wo viel Rindfleisch gegessen wird, ist die Darmkrebsrate höher. Auf der Suche nach den Auslösern dafür, sind Wissenschaftler des…

Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebsart in Deutschland. Schon seit langem ist bekannt, dass Dickdarmkrebs in Nordamerika, Europa und Australien, in denen viel Rindfleisch und Milchprodukte verzehrt werden, häufiger vorkommt als etwa in Indien, wo Kühe als heilig gelten und die vegetarische Ernährungsweise verbreiteter ist. Auf der Suche nach der Ursache für diese Diskrepanz sind Forscher vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg nun auf eine bislang kaum erforschte Klasse von Erregern gestoßen: kreisförmige Erbgutelemente, als „Bovine Meat and Milk Factors“ bezeichnet. Diese BMMF könnten chronische Entzündungen verursachen, die ein höheres Risiko insbesondere für Dickdarm- und möglicherweise auch für Brust- und Prostatakrebs bedeuten können, erklärte der Medizinnobelpreisträger und ehemalige DKFS-Vorstandsvorsitzende Harald zur Hausen bei einer Pressekonferenz in Heidelberg.

Noch nicht viel mehr als eine Theorie

Wie relevant die BMMF für die Entstehung von Tumoren sind, lässt sich bisher allerdings kaum abschätzen. Klar ist aber, dass es wohl viele weitere Einflussfaktoren gibt, die zur Krebsentstehung beitragen, etwa krebsfördernde Substanzen, die von Bakterien gebildet werden, die bei Rindern vorkommen.

Harald zur Hausen hatte für die Entdeckung, dass humane Papillomviren eine Rolle bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs spielen, im Jahr 2008 den Nobelpreis für Medizin erhalten. Seit einigen Jahren geht er der Hypothese nach, ob bei Menschen durch die Ernährung mit Rindfleisch und Kuhmilch Krebs ausgelöst werden kann.

Dabei stießen die Forscher auf ringförmige Erbgutelemente ähnlich den sogenannten Plasmiden von Bakterien – die BMMF. Eindeutig geklärt sei die Natur der Erreger, deren Charakteristika zwischen Viren und Bakterien lägen, bisher noch nicht, hieß es vom DKFZ. Der Annahme nach können die BMMF im Menschen chronisch-entzündliche Reaktionen auslösen, die im umgebenden Gewebe die Krebsentstehung fördern können. „Wir haben eine neue Klasse von Erregern in Rindfleisch- und Milchprodukten entdeckt, die Tumorwachstum auslösen können“, meint Hausen.

Vorsichtsmaßnahme: Lange Stillen

Dieses Wissen eröffne Präventionsmöglichkeiten, sagt zur Hausen. Er rät Müttern, ihre Kinder möglichst lange, „am besten über zwölf Monate“, zu stillen, denn bestimmte Zucker in der Muttermilch schützten Babys vor den BMMF. Danach sei das Immunsystem der Kinder stabil und biete besseren Schutz vor Infektionen, auch vor Ansteckung mit BMMF-Erregern. Säuglinge sollten keinesfalls früh mit Kuhmilchprodukten gefüttert werden, so das DKFZ.

Möglicherweise schützt das Stillen auch die Mutter vor der Wirkung der BMMF: Das Brustgewebe sei so im Kontakt mit den Zuckerverbindungen, vermutet zur Hausen. Unabhängig davon, ob das zutrifft, zeigen Studien, dass mit jedem zusätzlichen Monat des Stillens das Brustkrebsrisiko der Mutter sinkt.

Ein Verzicht auf Rindfleisch und Kuhmilch im Erwachsenenalter bringe hingegen meist nichts, weil man dann schon infiziert ist. „Essen Sie munter weiter, weil Sie ohnehin alle infiziert sind“, sagte zur Hausen. Als weitere mögliche Maßnahmen nannte der Mediziner Impfungen für Rinder und das Herausfiltern der BMMF aus der Milch. Auch eine Impfung für Babys hält er für vorstellbar.

Jede fünfte Krebserkrankung gehe auf Infektionen zurück

Zur Hausen zufolge gehe etwa jede fünfte Krebserkrankung auf Viren, Bakterien oder Parasiten zurück. Stimme seine BMMF-These, sei hingegen jede zweite Krebserkrankung infektionsbedingt. Beim Dickdarmkrebs steige der Wert dann auf 75 bis 80 Prozent.

Nach Angaben des deutschen Fleischerhandwerks werden bundesweit pro Kopf rund zehn Kilogramm Rind- und Kalbfleisch jährlich verzehrt. Als Quelle für die BMMF gilt laut DKFZ ausschließlich das europäische Rind: In Bolivien, wo große Mengen rotes Fleisch gegessen werden, sind die Darm- und Brustkrebsraten niedrig – dort wird vornehmlich Fleisch von Zebus verspeist. (skb/dpa)

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