Wissen und Technik

Charlottenburg erfindet sich neu

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Mit der Eröffnung ihres Coworking Space Eins entwickelt die Technische Universität Berlin ihre Gründungsförderung weiter.

Die junge Firma „Hedera“ (links) plant eine Online-Plattform für Entwicklungszusammenarbeit, das Team „Kamioni“ will LKW in der…

Der Baustaub hat sich noch nicht ganz gelegt. Eine junge Künstlerin zeichnet an den Wänden einer großen Eventfläche, Wandfarbe und Material für eine Prototypen-Werkstatt stehen darin. Wenige Meter weiter haben die jungen Leute das Großraumbüro bereits bezogen: Gründerinnen und Gründer. „Sie wollen ökonomisch erfolgreich sein, aber auch soziale und nachhaltige Impulse mitbringen“, sagt Florian Hoos, Leiter des Centre for Entrepreneurship (CfE) an der Technischen Universität Berlin. Die Uni im Berliner Westen eröffnet in diesen Tagen den neuen Coworking Space EINS. 80 Menschen, rund 14 bis 16 Startups, sollen hier täglich arbeiten, je nach Stipendienprogramm 12 bis 18 Monate. „Wir filtern die technischen Innovationen und Ideen heraus und fördern diese“, sagt Hoos im Januar bei einem Rundgang durch die neue Location am Ernst-Reuter-Platz mit der Hausnummer 1.

Was Hoos beschreibt, ist für die TU Berlin keinesfalls Neuland. Seit vielen Jahren betreibt die Universität eine Gründungsförderung. Mit seinen 20 Mitarbeitern fördert das CfE jährlich rund 30 Tech-Start-ups. 135 Gründungen hat es in den vergangenen zehn Jahren hervorgebracht. „Die Überlebensquote dieser Start-ups ist extrem hoch“, erzählt Hoos. 30 bis 50 Ideenskizzen landen jeden Monat beim CfE, nur drei bis vier von ihnen werden gefördert. Sie erhalten ein Stipendium mit Beratung, Qualifikationsprogrammen und Workshops. Dazu stellt das CfE in der Gründungsphase wichtige Kontakte her. „Im Selektionsprozess gelten sehr strenge Kriterien. Die ausgewählten Startups bringen oft Technologien und Innovationen mit, die auf jahrelanger Forschung basieren und nicht leicht replizierbar sind“, so Hoos.

Der Ansatz ist ganzheitlich

An der TU profitieren die jungen Teams von einer Mischung aus Lehre, Forschung und Gründungsunterstützung. „Das CfE ist eine einzigartige Kombination aus praktischer Gründungsunterstützung und dem Fachgebiet ,Entrepreneurship und Innovationsmanagement’ – ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Hoos. Fähigkeiten, die späteren Unternehmensgründungen dienen, werden so bereits im Vorlesungs- und Seminarraum gelehrt, beispielsweise im Master in Management, Entrepreneurship und Nachhaltigkeit.

Nun soll das System weiterentwickelt werden. Der neue Coworking Space bietet mehr als WLAN und eine materielle Infrastruktur. Der Ansatz ist ganzheitlich: „Wir wollen einen offenen und transparenten Raum schaffen, wo junge Gründer und externe Akteure zusammenkommen, gemeinsam arbeiten und sich austauschen“, erklärt Hoos. Das solle nicht nur die Inspiration steigern, sondern auch eine Öffnung der Uni nach außen darstellen. „Berlin hat schließlich alles, was die Gesellschaft mit Ideen voranbringen kann.“ Geht es darum, welche Start-ups profitieren sollen, fallen immer wieder zwei Worte: „triple impact“. „Die Kernkompetenz bleibt natürlich der ökonomische, unternehmerische Erfolg der Gründungen. Die Unternehmen sollen aber auch weiteren Ansprüchen genügen, und neben dem ökonomischen einen gesellschaftlichen und ökologischen Mehrwert stiften.“

Die Firmen in der Gründungsphase, die Hoos dabei vor Augen hat, sind in den Coworking Space längst eingezogen. Das Team von „Hedera“ zum Beispiel: Natalia Realpe, 33, und zwei Co-Gründer arbeiten in der Location am Ernst-Reuter-Platz an einer Plattform, die Entwicklungsorganisationen, Finanzinstitute, Wissenschaftler und Berater in Entwicklungsländern dabei helfen soll, sich zu vernetzen. „Ich habe bei meiner Arbeit in Entwicklungsländern gesehen, wie ineffektiv und unter welch hohen Kosten Akteure agieren, um die Grundbedürfnisse von Menschen, wie Bildung, Wasser oder Energie, bereitzustellen. Da setzen wir an“, sagt Realpe.

Nährboden für Innovation

Seit Oktober ist das Team in der Förderung des CfE. „Das Coaching und die Workshops haben uns auf einen guten Weg gebracht und helfen bei wichtigen Entscheidungsprozessen. Auch der Austausch mit anderen Start-ups ist sehr wertvoll“, so Realpe weiter.

Jacek Zawisza schätzt diese Vorteile ebenfalls. „Der Coworking Space fördert unseren Austausch und hilft uns dabei, uns zu hinterfragen – und neue Ideen zu generieren. Die Förderung ist für uns ein Nährboden für Innovation“, sagt Zawisza, Geschäftsführer von „Kamioni“. Seit einem halben Jahr profitieren der 35-Jährige und seine drei Mitstreiter vom EXIST-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums. Geht es nach den Gründern, sollen Lastwagen, die an Baustellen Schlange stehen und den Stadtverkehr verstopfen, der Vergangenheit angehören. Das Team will Logistikprozesse in der Bauindustrie digitalisieren und dafür eine Plattform zur Koordination von LKW zwischen Baufirmen, Speditionen und Baustofflieferanten entwickeln.

Der Software-Prototyp ist gebaut, in 20 Logistikfirmen konnte das Team ihn erproben und erfahren, wie er dort funktioniert. Nun steht das Team kurz vor der Gründung. Es geht um die Anschlussfinanzierung. „Wir profitieren gerade von einem sehr erfahrenen Umfeld“, sagt Daniel Dancs. „Die Verbindungen und Kontakte des CfE, etwa zu Start-up-Investoren, sind sehr wertvoll.“ Dancs und Zawisza fühlen sich vorbereitet.

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