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Brexit-Streit: Wer könnte Theresa May beerben?

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London (dpa) – Allein gegen alle: Überraschend gefasst gab sich die britische Premierministerin Theresa May, als sie am Mittwoch vor ihren Regierungssitz Downing Street trat und ihren Widersachern die Stirn bot.
Die Wahl eines neuen Parteichefs würde «die Zukunft des Landes aufs Spiel setzen und Unsicherheit schaffen, wenn wir sie am wenigsten brauchen können», sagte May in ihrer etwa vierminütigen Rede. Ihre Botschaft: Sie will Premierministerin bleiben und den Brexit-Deal mit der EU durchziehen. Basta.
Zuvor hatte eine einflussreiche Parlamentariergruppe für einen Paukenschlag gesorgt: Noch am Mittwochabend sollte sich May einer Misstrauensabstimmung um ihr Amt als Chefin der konservativen Regierungspartei stellen. Sollte sie die Abstimmung verlieren, wäre auch ihr Posten als Premierministerin nicht mehr zu halten. Etliche ihrer Widersacher signalisierten bereits Interesse, May zu beerben.
Als möglicher Nachfolger wird unter anderem der zurückgetretene Brexit-Minister DOMINIC RAAB genannt. Er sei die erste Wahl der Euroskeptiker, berichtete die Zeitung «The Guardian». Seine Stärke: Er hat Erfahrung mit den Verhandlungen zum EU-Austritt – und wesentlich mehr Bindungen nach Brüssel als sein Vorgänger DAVID DAVIS. Auch Davis war aus Protest gegen Mays Brexit-Pläne zurückgetreten. Kritiker in London und der EU werfen ihm allerdings vor, kaum in Brüssel während seiner Amtszeit aufgetaucht zu sein.
Bei den britischen Buchmachern wetten viele auf den schillernden BORIS JOHNSON. Der 54-Jährige machte als früherer Außenminister eine unglückliche Figur und stapfte vor allem bei seinen Reisen außerhalb Großbritanniens von einem Fettnäpfchen ins nächste. Abgeschrieben ist er damit aber noch lange nicht: Johnson, der ebenfalls aus Protest gegen Mays Pläne zum EU-Austritt zurücktrat, hat immer noch zahlreiche Fans. Seine volksnahe Art und sein Wortwitz kommen an. Er lässt keine Gelegenheit aus, gegen die Premierministerin zu stacheln.
Als besonders ehrgeizig gilt Innenminister SAJID JAVID. Der Sohn eines Busfahrers aus Pakistan war gegen den EU-Austritt, wechselte aber die Seiten. Am Mittwoch gab er sich loyal: «Die Premierministerin ist die beste Person, um sicherzustellen, dass wir die EU am 29. März verlassen.» Das schließt aber nicht aus, dass der frühere Manager bei der Deutschen Bank nicht noch seinen Hut in den Ring wirft. Die nordirische DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, äußerte in einem BBC-Interview auch Sympathien für Javid.
Weniger Chancen werden Außenminister JEREMY HUNT eingeräumt. Der «Guardian» attestiert ihm ebenfalls große Ambitionen, May zu beerben – und eine enorme Fähigkeit, heil aus Skandalen herauszukommen. So überlebte «Teflon Jeremy», wie er in Großbritannien genannt wird, unbeschadet große Ärztestreiks als damaliger Gesundheitsminister.
Auch der gut vernetzte Umweltminister MICHAEL GOVE wird als möglicher Nachfolger gehandelt. Nach dem Brexit-Votum im Jahr 2016 unterstützte er zunächst Johnson bei seiner Kandidatur für das Amt des Premierministers. Im letzten Moment entschied er sich, sogar selbst den Hut in den Ring zu werfen – damals hatte es nicht geklappt.
Keine Frau im Kreise der möglichen Nachfolger? Doch. Häufiger wird Arbeitsministerin AMBER RUDD ins Spiel gebracht. Sie hatte sich erst kürzlich für das relativ weiche Norwegen-Plus-Modell als Plan B oder ein zweites Referendum ausgesprochen. Die studierte Historikerin und frühere Investmentbankerin ist im Grunde ihres Herzens EU-Anhängerin.
Aber bei allen Spekulationen im Parlament und in der britischen Presse um Mays Nachfolge: Vielleicht umschifft die Regierungschefin wieder die schwierigen Klippen. In der turbulenten Fragestunde im Parlament am Mittwochnachmittag lief sie auf jeden Fall zu Hochform auf und verteilte auch Spitzen. Auf den Zuschauerplätzen im altehrwürdigen Unterhaus konnte man ihren wohl wichtigsten Berater erspähen: Ehemann Philip verfolgte den Auftritt seiner Frau genau.

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